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Spotlight-Cast bei den Medien-Nomaden

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Oscar hin oder her: In den allermeisten Kinos ist das Spotlight inzwischen erloschen. Die Medien-Nomaden schalten es nochmal ein. Wie realistisch ist die Darstellung der journalistischen Arbeit? Wie kommt der Film bei Nicht-Journalisten an? Gemeinsam mit Steini und David sprach ich über die Stärken und die Probleme des Reporterdramas. 

Bildmaterial: Paramount Pictures.

Das Ergebnis unserer kleinen Gesprächsrunde findet Ihr auf der Seite der Medien-Nomaden unter diesem Link. Wer die Blogger-Clique noch nicht kennt: Die Medien-Nomaden, das sind David, Pia, Thomas, Tobi, Steini und meine Wenigkeit. Sechs Freunde auf Wanderschaft: Unserem inneren Kompass folgend, bahnen wir uns unseren Weg durch die Medienwelt. Ob Filme und Serien, Videogames oder Musik – Thema ist, was relevant ist. Und Relevanz ist bekanntlich relativ. Wer ein Herz für Popkultur hat, der darf gerne mal vorbei schauen.

Die Spotlight-Plauderei ist übrigens Bestandteil der inoffiziellen Oscar-Wochen. Als filmbegeisterte, pflichtbewusste Medien-Nomaden haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, sämtliche Beiträge aus der Oscar-Kategorie „Bester Film“ zu besprechen. Am besten vor der Verleihung, was in einigen Fälle jedoch nur schwer oder gar unmöglich war (Spotlight erschien unmittelbar vor, Raum erst nach den Oscars in den deutschen Kinos). Wer Lust hat, nochmal in Erinnerungen zu schwelgen – bislang erschienen sind Folgen zu The Revenant, The Martian, The Big Short und Bridge of Spies

Wenn ich schon mal bei der Podcast-Eigenwerbung bin, dann habe ich noch einen Tipp, der nichts mit Journalistenfilmen zu tun hat, aber für Freunde der X-Akten interessant kann könnte: Gemeinsam mit Florian und Dominik vom Cine Entertainment Talk plauderte ich über das Comeback von Agent Scully und Agent Mulder – das Ergebnis ist eine zweistündige Debatte zur zehnten Staffel der Mystery-Serie, die kürzlich auf ProSieben ausgestrahlt wurde und in diesen Tagen auf BluRay erscheint.

Links zu Spotlight:

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Wenn Nachrichten eskalieren: Anchorman – Die Legende von Ron Burgundy (2004)

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Anchorman Flöte Journalismus

Ron Burgundy ist eine doppelte Legende. Als Nachrichtensprecher sowieso, vor allem aber als Mann. Das Alphatier in einer reinen Männerdomäne. Doch Zeiten ändern sich. Nachrichtenmenschen lieben Veränderung. Aber nur solange die eigenen Arbeitsbedingungen unangetastet bleiben. Sonst geht’s ans Ego.  AnchormanDie Legende von Ron Burgundy nimmt die Eitelkeiten und Automatismen des Geschäfts humorvoll aufs Korn.

Von Patrick Torma. Bildmaterial: DreamWorks.

Journalistenfilme haben oft etwas Nostalgisches. Geht es doch darum, alte Tugenden zu beschwören, die im schnelllebigen, unlauteren Alltag abhanden gekommen sind. Oder darum, das wohlige Gefühl von damals zu wecken. Als die Festanstellungen noch sicher und die Arbeitsmethoden herrlich oldschool waren. Als der Beruf noch gesellschaftliche Anerkennung bedeutete. Bei meiner allerersten Pressereise als Jung-Journalist traf ich auf einen alten Hasen, der mich mit seinem Charme und seiner Erfahrung in den Bann zog. Während sich die anderen Mitfahrer frühzeitig auf ihre Zimmer verabschiedeten, lauschte ich bis spät in die Nacht seinen märchenhaft anmutenden Geschichten von der Leichtigkeit des Journalist-Seins. Als ich mich endlich schlafen legte, erwischte ich mich dabei, wie ich das Schicksal meiner späten Geburt bedauerte…

Anchorman ist eine Zeitreise in diese gute, alte Zeit. Die Geschichte setzt im San Diego der 1970er-Jahre ein. Ehrliche Journalisten wie Walter Cronkite haben den Nachrichtensprecher zu einer Institution aufgebaut, die Menschen glauben alles, was ihnen das Fernsehen vorsetzt. Für den selbstverliebten Ron Burgundy (Will Farrell) und dessen Crew von KVWN Channel 4 kann es nicht besser laufen: Dank ihrer Popularität genießen sie das süße Leben. Doch das Paradies bröckelt. Nach zwölf Jahren Nachrichteneinerlei ist Themenvielfalt gefragt. Einschaltquoten gewinnen an Gewicht und setzen die Beteiligten unter Druck. Und zu allem Überfluss kommt mit Veronica Corningstone (Christina Applegate) eine Frau mit Ambitionen in den Sender.

Können dise Augen Lügen? Ron Burgundy (Will Farrell) ist der Nachrichtenstar in San Diego. Alles könnte so schön sein...

Können dise Augen Lügen? Ron Burgundy (Will Farrell) ist der Nachrichtenstar in San Diego. Alles könnte so schön sein…

Chauvinistisches Nachrichtenpack!

Anhand dieser kleinen Inhaltsangabe dürfte klar sein, worauf Anchorman hinaus will: So geil war die gute, alte Zeit eben doch nicht. Und wenn ich ehrlich bin, dann lassen sich viele der elysischen Geschichten, die ich am Tresen einer Hotelbar eines Schlosshotels aufsog, mehr oder minder valide unter den Schlagwörtern „Vorteilsnahme“ und „Alkoholexzess“ verorten. Früher war vielleicht mehr Punkrock. Über kurz oder lang ist auch die vollste Pulle wie eine Flasche leer – kein erstrebenswerter Zustand. Genauso wenig erstrebenswert ist die Senderpolitik in Anchorman. Wir reden immerhin von einem Klima, in dem Wasser-Ski fahrende Erdhörnchen, schwangere Pandabären und Katzen in niedlichen Kostümen den höchsten Nachrichtenwert genießen. Außerdem liegt da noch ein gesellschaftlich konventionalisiertes Übel in der Luft.

Will Farrell und Adam McKay, der spätere The Big Short-Regisseur, richten den Fokus auf die Frauenfeindlichkeit der damaligen Zeit. Für den chauvinistischen Nachrichtenstar Ron Burgundy – die Nähe zum Pornopapst Ron Jeremy ist unverkennbar – kommt die Co-Moderatorenschaft der Corningstone einem televisionären Sündenfall gleich. Mit Scherzanrufen und Sabotage-Akten versucht er, die Konkurrentin zur Aufgabe zu zwingen. Anchorman kokettiert mit diesem Sexismus, er ist die Basis für eine Vielzahl der Gags im Film. Allerdings sind diese Gags so geschrieben, dass sie die männlichen Bemühungen als infantil und Angst gesteuert entlarven. Außerdem weiß Frau ihre Gegenspieler verbal zu entmannen. Am Ende ist die Männlichkeit wieder (ein Stück weit) rehabilitiert und die Gleichberechtigung vor der Kamera gesichert.

...wäre da nicht Veronica Corningstone (Christina Applegate), die sich mit ihren Ambitionen in das männliche Dreamteam drängt.

…wäre da nicht Veronica Corningstone (Christina Applegate), die sich mit ihren Ambitionen in das männliche Dreamteam drängt.

Die Legende von Mort Crim & Jessica Savitch

Was im Film so einfach und lustig daherkommt, hat natürlich einen ernsten Hintergrund. Die Figuren Ron Burgundy und Veronica Cornigstone basieren  auf realen Vorbildern, wenn auch sehr lose. Erst vor wenigen Jahren, im Vorfeld der Premiere der Anchorman-Forsetzung Die Legende kehrt zurück, verriet Will Farrell, dass er sich von den TV-Journalisten Mort Crim und Jessica Savitch inspirieren ließ. Beide trafen in den 1970er-Jahren aufeinander: Crim war bereits eine Nachrichtengröße,  Savitch auf dem Weg, eine der ersten Anchorwomen im US-TV zu werden. Wer Bilder von damals sieht, spürt richtig, wie wenig Crim anfangs von seiner neuen Kollegin hielt. Rückblickend bedauerte er, ein chauvinistisches Schwein gewesen zu sein. Er gab seine Vorbehalte auf, die zwei bildeten ein eingespieltes Team und pflegten eine Freundschaft. 1983 kam Jessica Savitch durch einen Autounfall zu Tode, ihr früherer Kollege hielt die Trauerrede.

Wie gesagt: Anchorman orientiert sich sehr, sehr lose an wahren Begebenheiten. Der Film pickt sich die Ausgangslage (und die sonore Stimme Crims) heraus, um zum aberwitzigen Rundumschlag auszuholen. Ob absurdeste Vorurteile gegenüber Frauen („I read somewhere their periods attract bears. Bears can smell the menstruation“),  Patriachatdenken („It is anchorman, not anchorlady. And that is a scientific fact“), oder Machogehabe („I would like to extend to you an invitation to the pants party“) –  Anchorman zerschlägt das gesamte Spektrum männlicher Hybris – ohne dabei ein feministischer Film sein. Auf einzelne emanzipatorische Schlagthemen (Frauenquote, Vereinbarkeit von Familie und Beruf) nimmt der Film zwar Bezug, er verhandelt sie aber nie aus. Dafür ist Anchorman zu sehr Klamotte.

"Brick, did you throw a trident?" "Yeah, there were horses, and a man on fire, and I killed a guy with a trident." Wettermann Brick Tamland (Steve Carell) macht keine Gefangenen.

„Brick, did you throw a trident?“ „Yeah, there were horses, and a man on fire, and I killed a guy with a trident.“ Wettermann Brick Tamland (Steve Carell) macht keine Gefangenen.

Nachrichtensprecher auf (Drei-)Zack

Ähnliches lässt sich über das Verhältnis der medienkritischen Zoten aussagen. Anchorman teilt gegen die Gesetzmäßigkeiten der Nachrichtenbranche gut aus, vorrangig zieht sich der Film jedoch an den anarchischen Scharmützeln zwischen den Figuren hoch. Manches ist subtil, vieles offensichtlich. Die Boulevardisierung des Nachrichtenprogramms etwa. KVWN Channel 4 News bringt nicht eine seriöse Meldung. Dass der Sender mit kindlicher Begeisterung auf Heinz Sielmanns Spuren wandelt, das haben wir bereits feststellen können. Ein anderes Mal soll Veronica Corningstone eine 103-jährigen Frau besuchen, die von sich behauptet, sie bewahre das beste Rezept für Hackbraten auf. Die ehrgeizige Journalistin protestiert, doch der Produktionsleiter bügelt ihren Einwand lapidar ab: „Das ist eine heiße Story.“

Ein kultiger Gag aus Anchorman ist der Quotenkampf der Sender, der kurzerhand in eine Seitengasse verlegt wird: Rivalisierende Nachrichtengangs gehen mit Totschläger und Dreizack aufeinander los. Dabei mahnt Burgundys Erzfeind von den Abendnachrichten noch, dass die Quoten nicht repräsentativ seien. Haushalte mit zwei oder mehr Fernsehgeräten würden schließlich nicht erfasst…

"Über das Geschlecht des Panda-Babys kann ich nur spekulieren." Anchorman nimmt die Nicht-Berichterstattung der Nachrichtensender auf den Arm.

„Über das Geschlecht des Panda-Babys kann ich nur spekulieren.“ Anchorman nimmt die Nicht-Berichterstattung der Nachrichtensender aufs Korn. Zu sehen ist Luke Wilson von Konkurrenz.

Nicht-Berichterstattung in Perfektion

Und auch das überdrehte Finale enthält ein paar feine Spitzen gegen die absurde Nicht-Berichterstattung, wie wir sie von den vielen Liveschaltungen im echten Leben her kennen: Niemand weiß irgendetwas – aber Hauptsache, die Kamera vor Ort läuft und irgendein aus dem Schlaf gerissener Korrespondent spielt Orakel von Delphi. Im Zoo von San Diego tritt das Orakel in Gestalt des einarmigen Luke Wilson auf: Die Pandadame liegt in den Wehen.  Über das Geschlecht des Babys kann er nur spekulieren. Entweder wird es ein Junge. Oder ein Mädchen.

Ron Burgundy trägt besonders dick auf unr kündigt die Niederkunft als weltbewegendes Ereignis an. Es hat beinahe etwas Tragik-Komisches. Wen auf der Welt sollte es kümmern, dass der örtliche Zoo in San Diego ab sofort ein zusätzliches (zugegebenermaßen seltenes) Maul zu stopfen hat? Wären da nicht die Bilder aus einem Berliner Zoo, die Anfang 2007 tatsächlich um die ganze Welt gingen. By the way: Hat irgendjemand mal den Mediawert von Eisbär Knut errechnet?

Paradiesische Zustände? Anchorman erzählt von der guten, alten Zeit. Doch in Wirklichkeit war diese Zeit gar nicht so geil. Es kommen immmer bessere.

Paradiesische Zustände? Anchorman erzählt von der guten, alten Zeit. Doch in Wirklichkeit war diese Zeit gar nicht so geil. Es kommen immmer bessere.

Ron Burgundy trifft Sandro Zahlemann

Da kann ein Journalistenfilm noch so weit in die Vergangenheit reisen, aktuelle Bezüge lassen sich auch mit der Nostalgiebrille auf der Nase ausmachen. Was natürlich auch daran liegen kann, dass sich die Probleme, die Anforderungen und die Funktionen des Journalismus nicht grundlegend geändert haben. Klar,  Medien sind im Wandel, neue Distributionskanäle erfordern neue Marketingstrategien. Die journalistischen Grundprinzipien aber bleiben unverändert. Was damals unethisch war, ist auch heute noch unethisch – und umgekehrt. Das als Beobachtung am Rande. Auch Anchorman greift sich seine Kritikpunkte heraus, ohne jedoch allzu sehr den Zeigefinger zu erheben. Ron Burgundy will schließlich nur eines: spielen.

Wer Anchorman in vollen Zügen genießen möchte, der muss dem Humor der Frat Pack-Clique um Will Farrell und Steve Carrell etwas abgewinnen können. Andernfalls sind die medienreflexiven Späße zu rar gesät, um über die komplette Spielzeit bei Laune zu halten (der erste Drehbuchentwurf sah vor, dass sich das KVWN Channel 4 News-Team nach einem Flugzeugcrash mit einem Haufen Schwerter schwingender Affen herumschlagen sollte…).  Wer absurdes Nachrichtenfernsehen in konzentrierter Dosis aufsaugen möchte, der ist mit Olli Dittrichs Sandro-Report zum Staatsbesuch des Monarchen von Bhutan besser bedient. Was beide Figuren so bemerkenswert macht: Sie wirken dermaßen überzeichnet und authentisch zugleich. Die Art und Weise, wie sie Nichtigkeiten als Nachrichten verkaufen wollen, kommt einem seltsam vertraut vor. Ich bin mir ganz sicher: Die Legende von Ron Burgundy – sie lebt weiter.

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Alles Gonzo, oder was? Hunter S. Thompsons Fear and Loathing in Las Vegas (1998)

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Hunter S Thompson Fear And Loathing in Las Vegas

Zwei Männer rasen durch die Mojave. Das Drogenarsenal im Kofferraum ihres Miet-Chevrolets beherbergt so ziemlich jede Substanz, die man in den USA der 1970er Jahre schlucken, schnupfen oder rauchen kann. Nur noch wenige Kilometer Fledermausland trennen sie von ihrem Ziel: das Zockerparadies Las Vegas. Der Rest ist Filmgeschichte. An den Kinokassen grandios gefloppt, ist die Adaption von Hunter S. Thompsons Fear and Loathing in Las Vegas einer der großen Kultfilme der Neunziger. Was das mit Journalismus zu tun hat? Nicht viel. Zumindest nicht im herkömmlichen Sinne, wie er an den Journalistenschulen gelehrt wird.

Von Patrick Torma. Bildmaterial: Universal Pictures.

Dabei kommt Raoul Duke mit einem konkreten, journalistischen Arbeitsauftrag nach Vegas. Für das Rolling Stone Magazine soll er über das große Mint 400-Crossrennen berichten. Doch der eigentliche Job gerät schnell aus den Augen. Was auch auf die Anwesenheit seines paranoiden Anwalts Dr. Gonzo und die Wagenladung Betäubungsmittel zurückzuführen ist. Aber nicht nur. Dukes Interesse an dröhnenden Motoren und staubigen Überholmanövern in der Einöde Nevadas ist ohnehin gering. Er ist auf der Suche nach dem amerikanischen Traum. Oder vielmehr nach dem kümmerlichen Rest, der von ihm übrig geblieben ist.

Die Geschichte spielt im Jahr 1971. Die ideelle Aufbruchsstimmung der Hippie-Ära ist in sich zusammengesackt wie taumelnder Boxer, der nach furiosem Start feststellt, dass er nie eine echte Chance hatte und nun den finalen, unausweichlichen Knockout kassiert. Der Geister von ’68 und Woodstock sind verblasst, Helden wie Hendrix und Joplin tot. Ohnmächtig steuert die Supermacht USA in Vietnam auf ihr größtes Trauma seit Pearl Harbor zu. Anstatt die Friedensbemühungen seines Vorgängers Lyndon B. Johnsons wie angekündigt fortzusetzen, hat Präsident Nixon das Wüten in Südostasien ausgeweitet. Napalm statt Flower Power. Nixon will den Feind zermürben. Er demoralisiert sein eigenes Land. Der Optimismus einer gesamten Generation liegt brach. Was bleibt, sind die Drogen.

Der Journalist und sein Aaanwaaalt: Raoul Duke (Johnny Depp, rechts) steigt mit Dr. Gonzo (Benicio Del Toro) in der Spielerstadt Las Vegas ab. Gemeinsam suchen sie den amerikanischen Traum.

Der Journalist und sein Aaanwaaalt: Raoul Duke (Johnny Depp, rechts) steigt mit Dr. Gonzo (Benicio Del Toro) in der Spielerstadt Las Vegas ab. Gemeinsam suchen sie nach Restspuren des amerikanischen Traums.

Die USA und der Boulevard of Broken Dreams

Das ist die nationale Gemütslage, in der Hunter S. Thompson gemeinsam mit seinem Freund, dem Anwalt und Politaktivisten Oscar Zeta Acosta, zu seinem Trip nach Las Vegas aufbricht. Die Spielerstadt ist eine groteske Karikatur des American Dream. Reich werden hier nur die Abzocker. Auf alle anderen, die Verzweifelten und die Erwartungsfrohen, wartet nur der Kater am nächsten Morgen. Wenn der Traum von einem Leben in Glamour und Luxus ausgeträumt ist und der Blick auf das schäbige Interieur des abgestandenen Motelzimmers fällt, das wenige Stunden zuvor noch wie die Suite eines Gewinners anmutete und sich nun als trostlose Vorhölle entpuppt, bevor es zurück in die richtige, noch trostlosere Hölle geht. In die Hölle namens Alltag. Dieses Las Vegas ist der perfekte Ort für eine Abrechnung mit dem American Way of Life.

Diese Abrechnung wird später zum Schlüsselwerk des Anarcho-Literaten Hunter S. Thompson. Sie trägt den Titel Fear and Loathing in Las Vegas und ist eine wilde Mixtur aus Rausch-Tagebuch, Reportage und Roman aus der Sicht seines Alter Egos Raoul Duke. Was sich wirklich zutragen hat, und was nicht, das weiß nur Thompson selbst. Wenn überhaupt. Das Verwischen von (Bewusstseins-)Grenzen ist ein Markenzeichen des Autors, der damit einen neuen journalistischen Stil kultiviert: den Gonzo-Journalismus.

Völlig durch, schon bei der Ankunft: Raoul Duke. Eigentlich ist er hier, um über das große Mint 400-Crossrennen zu berichten. Aber dieser Arbeitsauftrag gerät schnell aus den Augen.

Völlig durch, schon bei der Ankunft: Raoul Duke. Eigentlich ist er hier, um über das große Mint 400-Crossrennen zu berichten. Aber dieser Arbeitsauftrag gerät schnell aus den Augen.

New Journalism und Gonzo-Journalismus

Gleichwohl ist Hunter S. Thompson nicht der Erste, der die Trennung von Journalismus und Literatur, von Fakten und Fiktion aufhebt. Mitte der 1960er-Jahre reichern junge Journalisten (darunter Tom Woolfe) die klassische Reportage mit literarischen Erzählformen wie dem Stream of Consiciousness an. Der New Journalism verneint vehement die Möglichkeit einer rein objektiven Berichterstattung, schließlich ist jede Beobachtung ist durch die Vorannahmen, Erfahrungen und Sinneseindrücke desjenigen gefärbt, der sie vornimmt. In der Konsequenz geben die Autoren mehr und mehr ihre kritische Distanz auf.

Mit diesen Gedanken im Hinterkopf beschäftigt sich Hunter S. Thompson mit den Hell’s Angels – der 1948 gegründete Motorradclub nimmt in den 1960er-Jahren an Fahrt auf und avanciert zunehmend zu einem US-amerikanischen Phänomen. Für die Zeitschrift The Nation schreibt Thompson 1965 einen ersten Artikel, er erhält anschließend das Angebot, ein ganzes Buch über die Motorradgang zu verfassen. Das nächste Jahr verbringt er zu Recherchezwecken in der Szene. Als Hell’s Angels 1966 erscheint, ist das Buch eines der ersten Standardwerke zur Rockerbewegung – die arrivierte Presse hält ihm jedoch seinen Mangel an Distanz vor.

Das ist der Journalismus in Fear And Loathing in Las Vegas. Im Pressezelt geht es hoch her. Der Startschuss zum Mint 400 kommt den Reportern reichlich ungelegen. Wieso berichten, wenn man sich herrlich vergnügen kann?

Das ist der Journalismus in Fear And Loathing in Las Vegas. Im Pressezelt geht es hoch her. Der Startschuss zum Mint 400 kommt den Reportern reichlich ungelegen. Wieso berichten, wenn man sich herrlich vergnügen kann?

Geburtsstunde des Gonzo-Journalismus

Angestachelt von der Kritik werden seine Ergüsse immer wilder, sein Subjektivismus nimmt immer radikalere Formen an. 1970 soll Thompson für das Magazin Scanlan’s Monthly über das Kentucky Derby berichten. Weil er es allerdings nicht schafft, den Abgabeschluss einzuhalten, sendet er seinem Verleger seine ungefilterten Notizen zu. Als Thompsons Kollege Bill Cardoso dessen exzessives Geschreibsel in Empfang nimmt, entfährt es ihm: „Forget all this shit you’ve been writing, this is it; this is pure Gonzo. If this is a start, keep rolling.“ Es ist die Geburtsstunde des Gonzo-Journalismus.

Thompsons Stil ist prägend, insbesondere für die Anfänge des Rolling Stone-Magazins, das sich in den Reportagen der Gonzo-Ikone sonnt. Nicht die Geschichte, sondern der Autor ist der Star. Und der findet immer mehr Anhänger. In der (Selbst-)Studie Fear And Loathing in Las Vegas finden sich all die Enttäuschten und Zornigen der Post-Hippie-Ära wieder. Das Buch wird zum Sprachrohr einer Generation. Und später zum Kultfilm der Nachfolgegeneration.

Dino-Pogo, dingellingeling! Fear And Loathing in Las Vegas gilt lange als unverfilmbar, zwischenzeitlich bemühen sich Filmemacher um eine Trickfilm-Adaption. Regisseur Terry Gilliam macht schließlich keine halben Sachen.

Dino-Pogo, dingellingeling! Fear And Loathing in Las Vegas gilt lange als unverfilmbar, zwischenzeitlich bemühen sich Filmemacher um eine Trickfilm-Adaption. Regisseur Terry Gilliam macht schließlich keine halben Sachen.

Das Buch galt lange als unverfilmbar

Die Entstehungsgeschichte ist eine holprige: Das Buch gilt lange als unverfilmbar. An dieser Meinung mag auch die freie Adaption Blast – Wo die Büffel röhren – mit Bill Murray als Hunter S. Thompson und Peter Boyle als Thomspons wildgewordener Anwalt Lazlo in den Hauptrollen – aus dem Jahre 1980 nicht rütteln. Der Gonzo-Spirit ist vorhanden, den rauschhaften Charakter der Thompson’schen Forschungsreisen kann die verhältnismäßig brave Komödie allerdings nicht vermitteln. Und das, obwohl Thompson persönlich als Berater fungiert. Der Trickfilmregisseur Ralph Bakshi, der 1977 für seine animierte Kinofassung von Tolkiens Herr der Ringe bekannt wird, will Laila Nabulsi (Thompson hatte ihr die Rechte an der Verfilmung überlassen) überzeugen, Fear And Loathing in Las Vegas als Animationsfilm zu realisieren – doch Zeichentrick ist der Produzentin nicht Hollywood genug.

Ursprünglich – die ersten Arbeiten am Drehbuch beginnen 1976 – sind für die Rollen von Duke und Dr. Gonzo Jack Nicholson und Marlon Brando vorgesehen, da die Produktion auf sich warten lässt, scheiden die beiden Schauspiel-Großmeister jedoch aus Altergründen aus. Die Blues Brothers Dan Aykroyd und John Belushi drängen sich auf, doch mit Belushis Tod 1982 hat sich auch diese Idee erledigt. John Malkovich altert ebenfalls schneller als die Produktion voranschreitet. John Cusack erhält beinahe den Zuschlag für die Rolle des Duke. Doch dann lernt Hunter S. Thompson Johnny Depp kennen. Von nun an kommt kein anderer Mime mehr in Frage. Die beiden verbindet eine tiefe Freundschaft – bis zu Thompsons Tod im Jahre 2005. Johnny Depp wird die Kanone zünden, die Thompsons Asche über dessen Anwesen verstreut.

Dr. Gonzo wird von Raoul Duke verarztet. "Der Mann hat ein schwaches Herz." Tobey Maguire mit fieser Spaghetti-Friese fällt vom Glaben ab, noch bevor er in der Spielerstadt ankommt.

Raoul Duke verarztet Dr. Gonzo. „Der Mann hat ein schwaches Herz.“ Tobey Maguire mit fieser Spaghetti-Friese fällt vom Glauben ab, noch bevor er in der Spielerstadt ankommt.

Terry Gilliam und die Produktionshölle

Mitte der 1990er-Jahre ist mit Terry Gilliam endlich ein Regisseur gefunden, dem man es zutraut, Thompsons orgiastische Ergüsse auf Zelluloid zu bannen. Dank Filmen wie Brazil, König der Fischer und 12 Monkeys gilt das ehemalige Monty Python-Mitglied als Experte für surreale Settings und bizarre Visionen. Damit erhält er den Vorzug vor Regisseuren wie Martin Scorsese und Oliver Stone, die sich zuvor um den Film bemüht hatten.

Nach über 20 Jahren in der Produktionshölle beginnen 1997 die Dreharbeiten. Ein Hauch von Gonzo weht über das Set. Die erste Aufnahme ist Kasten, das volle Produktionsbudget aber noch nicht gesichert. Das Casino, das sich die Crew für die Inhouse-Shots ausgeguckt hat, zeigt sich unflexibel: Gedreht werden darf lediglich in der Zeit von zwei bis sechs Uhr. In der Frühe, wohlgemerkt. Gilliam, dessen Perfektionismus ohnehin im krassen Kontrast zu seinen verspielten Bildern steht, wird nervös. Am Ende wird er einen Trip für die Ewigkeit erschaffen. Auch wenn zunächst nichts darauf hinweist.

Da ist die US-Welt noch in Ordnung: Raoul Duke während einer Rückblende. Damals, als die Hippies noch voller Optimismus waren. In Fear and Loathing in Las Vegas geht es gerade um die Desillusionierung einer gesamten Generation.

Da ist die US-Welt noch in Ordnung: Raoul Duke während einer Rückblende. Damals, als die Hippies noch voller Optimismus waren. In Fear and Loathing in Las Vegas geht es gerade um die Desillusionierung einer gesamten Generation.

Später Kult: Fear and Loathing in Las Vegas

Die Testvorführungen sind ernüchternd, die Kritiken verhalten. Review-Legende Roger Ebert straft den Film mit einem Stern ab. Fear And Loathing in Las Vegas spielt gerade mal 10,6 Millionen US-Dollar ein – bei einem Budget von 18,5 Millionen US-Dollar. Immerhin: Hunter S. Thompson ist begeistert: „Der Film ist wie eine schaurige Trompete, die nach einem verlorenen Kampf über dem Schlachtfeld erklingt“. Soll heißen: Gilliam hat den richtigen Ton getroffen.

Inzwischen darf man wohl getrost behaupten, dass sich die Nachwelt diesem Urteil angeschlossen hat. In den Heimkinos erarbeitet sich Fear and Loathing in Las Vegas seinen Ruf als Kultfilm. Zunächst als wahnwitzige Kuriosität, die sich ihren Platz in der Riege der besten Drogenstreifen aller Zeiten verdient. Später dann, mit dem wieder erstarkten Interesse an Hunter S. Thompsons Werken, als werkgetreue wie schonungslose Abrechnung mit der Utopie des amerikanischen Traums. Und schließlich als Journalistenfilm, in dem der althergebrachte Journalismus, wie wir ihn alle zu kennen glauben, keinen Platz findet. Nur ein Mal, ganz zu Beginn des Films, meldet er sich zu Wort. Während der Autofahrt durch das Fledermausland verliest ein Nachrichtensprecher im Radio die aktuelle Drogenstatistik. Entnervt schaltet Raoul Duke ab. Der Rest ist Gonzo.

Weiterführende Links zu Hunter S. Thompson:

Die Lange Nacht über Hunter S. Thompson – ein Special des Deutschlandradios, das mit dem Deutschen Radiopreis ausgezeichnet wurde.

Totally Gonzo  – The Hunter S. Thompson and Gonzo Journalism Community

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Schmierfink wider Willen? Freddy Lounds aus Roter Drache (2002)

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Freddy Lounds Manhunter

Traumabewältigung auf journalistenfilme.de: Lange waren Journalisten im Film einfach da. Ein Rollentypus unter vielen, den ich gar nicht groß hinterfragte. Und dann kam Freddy Lounds. Der schmierige Reporter aus der Thomas Harris-Verfilmung Roter Drache spuckte meinem Berufswunsch ins Gesicht – und entfachte mein Interesse für die journalistische Darstellung im Film. Der Versuch eines Psychogramms.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Universal/MGM.

Ohne Freddy Lounds kein journalistenfilme.de? Ich bin kein Freund deterministischer Kausalketten. Fakt ist jedoch: Freddy Lounds aus Roter Drache traf bei mir einen Nerv. Seit meiner ersten Begegnung mit dem Tattler-Reporter reagiere ich wie ein pawlow’scher Hund, wann immer Journalisten die Filmszenerie betreten. Meine Aufmerksamkeit erhöht sich schlagartig.

Es muss so um das Jahr 2004 gewesen sein: Das Abitur frisch in der Tasche, das Ziel, als Journalist Fuß zu fassen, fest vor Augen. Das erste Praktikum ist absolviert, der Einstieg in die Branche geschafft. Mein Vater und ich streifen durch die Regale unserer Stammvideothek. Schnell fällt unser Blick auf das fleischgewordene William Blake-Gemälde auf dem Cover von Roter Drache. Das Schweigen der Lämmer war Musik in unseren Ohren. Edward Norton gehört seit American History X und Fight Club zu den interessantesten Schauspielern seiner Generation. Da kann man mit dem Lecter-Sequel doch nichts falsch machen?

Hannibal the Cannibal: Roter Drache erzählt die Vorgeschichte von Das Schweigen der Lämmer - wie Dr. Lecter vom FBI-Agenten Will Graham überwältigt wurde.

Hannibal the Cannibal: Roter Drache erzählt die Vorgeschichte von Das Schweigen der Lämmer – wie Dr. Lecter vom FBI-Agenten Will Graham überwältigt wurde.

Wie Dr. Lecter einst in den Bau kam

Macht man auch nicht: Roter Drache erzählt die Vorgeschichte zu Das Schweigen der Lämmer. Der FBI-Profiler Graham (Edward Norton) arbeitet mit dem forensischen Psychiater Dr. Hannibal Lecter (Anthony Hopkins) zusammen, um einen kannibalistisch veranlagten Serienmörder zu fassen. Während eines nächtlichen Besuchs in Lecters Haus wird Graham klar, dass sein Sparringspartner der Gesuchte sein könnte. Es kommt zu einem Kampf, bei dem es ihm gelingt, Lecter zu überwältigen. Der junge FBI-Mann wird dabei selbst schwer verwundet und überlebt die Konfrontation nur knapp.

Jahre später – Graham hat sich vom aktiven Dienst zurückgezogen – treibt ein neuer Serienkiller sein Unwesen. Zwei Familien hat der selbsternannte Rote Drache (Ralph Fiennes) bereits bestialisch ermordet, die Ermittler erwarten weitere Bluttaten. Grahams ehemaliger Kollege Jack Crawford (Harvey Keitel) bittet den Aussteiger um Unterstützung, mit dem Hintergedanken, die scharfsinnige Verbindung zwischen Graham und Lecter wieder aufleben zu lassen. Nach einigem Zögern lässt sich Graham auf ein perfides Spiel ein, bei dem er und seine Familie Gefahr laufen, zwischen die Fronten zweier Psychopathen zu geraten.

Freddy Lounds inst der "Starreporter" des fiktiven Tattlers. Seine Spezialität sind besonders blutrünstige Mordtaten. Die verkaufen sich so gut.

Freddy Lounds ist der „Starreporter“ des fiktiven Tattlers. Seine Spezialität sind besonders blutrünstige Mordtaten. Die verkaufen sich so gut.

Freddy Lounds bleibt haften

Roter Drache steht für das Psychothriller-Kino der 1990er und 2000er Jahre: Atmosphärisch, beklemmend, schonungslos – wobei es Rush Hour-Regisseur Brett Ratner nicht gelingt, an die ganz großen Klassiker dieser Ära wie Sieben oder eben Das Schweigen der Lämmer heranzureichen. Dafür vermag er dem Genre nicht viel Neues hinzuzufügen: Nach Blutmond (1986, die erste filmische Adaption von Harris‘ Roman Roter Drache, unter der Regie von Michael Mann), Das Schweigen der Lämmer (1991) und dem gerade ein Jahr zuvor erschienen Hannibal (2001) ist Roter Drache von 2002 der bereits vierte Beitrag aus dem Lecter-Universum. Die Figur leidet unter ersten Abnutzungserscheinungen, der Film folgt den gängigen Mustern des Genres und wartet mit einem generischen Finale auf, das erprobte Seher gerade so davon abhält, auf der Couch wegzudösen. Roter Drache macht vieles richtig, aber nichts überragend – nichts, was ewig in Erinnerung bleibt. Eigentlich.

Wäre da nicht Freddy Lounds (gespielt vom großartigen Philip Seymour Hoffman): Ein mehr als halbseidener Reporter im Dienste des fiktiven Revolverblattes Tattler, der Gefallen an grausigen Verbrechen findet – und nichts unversucht lässt, um seine Leser mit widerwärtigen Details aus der Welt der Massen- und Serienmörder zu „beglücken“. Lounds steht für all‘ das, was seriöse Journalisten, aufgeklärte Rezipienten und vor allem idealistische Nachwuchsreporter verachten: Für eine sensationsgeile, aufgeplusterte und ausgeschmückte Skandalberichterstattung, die jeglichen Anstand vermissen lässt – sowohl von der journalistischen als auch von der menschlichen Warte aus betrachtet.

Eitel, selbstdarstellerisch, wichtigtuerisch - das alles in Freddy Lounds. Seine Kolumne im Tattler nennt sich "Take it from Freddy".

Eitel, selbstdarstellerisch, wichtigtuerisch – das alles ist Freddy Lounds. Seine Kolumne im Tattler nennt sich „Take it from Freddy“.

Ein journalistischer Saulus

Freddy Lounds ist der Prototyp eines Schmierfinken. Optisch wie methodisch: Mit fettigen Haaren und schlecht rasiertem Gesicht lauert er seinen Gesprächspartnern auf, um ihnen pikante Einzelheiten zu entlocken. Da ihm sein Ruf vorauseilt – schließlich schreibt Lounds für den berühmt-berüchtigten Tattler, einem Blatt, mit dem man sich gemeinhin den „Arsch abwischt“ (Tattler ist ein sprechender Name und bedeutet im Englischen so viel wie Schwätzer) – hält sich die Auskunftsfreude ihm gegenüber in Grenzen. Anstatt es mit anständigem Journalismus zu versuchen, bedient er sich aus seinem Repertoire fragwürdiger Vorgehensweisen – angefangen vom paparazzo’esken Stalking bishin zur Urkundenfälschung und Amtsanmaßung. Um sich etwa Zugang zu Autopsie-Berichten zu verschaffen, mogelt sich Lounds mit einem falschen FBI-Ausweis ins Department.

Seine Crime-Kolumne „Take it from Freddy“ kommt einem publizistischen Amoklauf gleich: Zugunsten seiner Selbstinszenierung als allwissender Insider pfeift Freddy Lounds auf jegliche Diskretion. Indem er wichtige, ermittlungstaktische Informationen preisgibt, riskiert er nicht nur den Erfolg der Polizeiarbeit: Er zerrt Graham, der die Ermittlungen aufgrund seiner Nahtoderfahrung durch die Hand Lecters aus dem Hintergrund heraus führt, in die Öffentlichkeit und erregt so die Aufmerksamkeit des Roten Drachen Francis Dolarhyde. So, wie der Film die Figur vorstellt, lässt er keinen Zweifel daran aufkommen, dass es sich bei Freddy Lounds um einen durch und durch degenerierten Charakter und verantwortungslosen Journalisten handelt.

Journalisten sind nicht besonders beliebt - vor allem Freddy Lounds nicht. Jack Crawford (im Hintergrund) müht sich, Will Graham davon abzuhalten, ein paar Reporterschellen zu verteilen.

Journalisten sind nicht besonders beliebt – vor allem Freddy Lounds nicht. Jack Crawford (im Hintergrund) müht sich, Will Graham davon abzuhalten, ein paar Reporterschellen zu verteilen.

Eins, zwei, drei – Freddy kommt vorbei…

Eine völlige überzogene Darstellung eines Journalisten. Das will ich zumindest glauben, als ich bemerke, wie mich mein Vater von der Seite mustert. Ich meine, in seinem Blick zu erkennen, dass er soeben meinen Berufswunsch hinterfragt. Ob ich mir sicher bin, worauf ich mich einlasse? Bin ich. „Vadder, Journalist ist ein ehrenwerter Beruf! Ehrlich“, erkläre ich beschwichtigend. Freddy Lounds ist schließlich ein abschreckendes Negativbeispiel, das für seinen Frevel bestraft wird. Er wird nach einem von Graham lancierten Bericht, der den Killer aus der Reserve locken soll, von Francis Dolarhyde entführt und angezündet.

Für mein 20-jähriges Ich war der Fall damit erledigt. Nicht, dass die Missachtung journalistischer Leitlinien einen Feuertod rechtfertigt. Die Lound’schen Schundartikel hatten sich jedoch als Brandbeschleuniger erwiesen. Hätte er mal mehr Sorgfalt walten lassen. Heute erscheint mir Freddy Lounds Abgang als menschliche Fackel – pun intended – in einem etwas anderen Licht. Die Frage drängt sich auf: Inwieweit ist Lounds ein Opfer? Damit meine ich nicht das Opfer eines wahnsinnigen Killers. Diese Antwort liegt auf der Hand. Sondern das Opfer eines Systems?

Auf Tuchfühlung mit dem Leser.: Freddy Lounds gibt den Journalisten zum Anfassen. Unfreiwillig, versteht sich. Francis Dolarhyde packt zu.

Auf Tuchfühlung mit dem Leser: Freddy Lounds gibt den Journalisten zum Anfassen. Unfreiwillig, versteht sich. Francis Dolarhyde packt zu.

Freddy Lounds – das Opfer eines Systems?

Schauen wir uns die Ereignisse vor seiner Hinrichtung nochmal genauer an. Nachdem er bei dem Versuch, sich als FBI-Mitarbeiter auszugeben, erwischt wird, verdonnern ihn Graham und Crawford dazu, ihnen bei der Jagd behilflich zu sein. Graham diktiert ihm ein diffamierendes Profil des Verdächtigen in den Block: Der Gesuchte sei ein gestörter, mit Komplexen behafteter Mann mit homosexuellen Neigungen und inzestuösem Hintergrund. Dahinter steckt die Hoffnung, Dolarhyde könnte sich in seiner Wut über diesen Schmähbericht zu einem spontanen Ausbruch gegen das FBI und Graham persönlich hinreißen lassen. Während Graham ausholt und immer mehr schmutzigere Details auspackt, gluckert Freddy Lounds gehässig. Die (Fake-)Auskünfte scheinen ganz nach seinem Geschmack. Dass er „benutzt“ wird, dessen ist er sich bewusst. Es wird an dieser Stelle allerdings nicht ganz deutlich, wie viel Wahrheitsgehalt er Grahams Täterprofil beimisst. Klar ist nur: Lounds wittert eine gute Story.

Mit der Konsequenz, die der Artikel nach sich zieht, haben allerdings weder Graham noch Lounds gerechnet. Dolarhyde attackiert nicht die Quelle, sondern schnappt sich zunächst den Übermittler der Diffamierungen. Mit der Zeitung von heute wird der Fisch von morgen eingerollt, heißt es so schön. Für Dolarhyde, der jeden Artikel über sich und seine Taten feinsäuberlich archiviert, ist Papier aber geduldig. „Warum lügen Sie?“, will Dolarhyde wissen. „Graham hat es mir gesagt, Sie haben mich veranlasst zu lügen“, beteuert Lounds. Jetzt, wo er wie ein verzweifeltes Riesenbaby an einem Rollstuhl klebt, mag das oppurtunistisch klingen; zumal er die bewusste Entscheidung hätte treffen können, Grahams Verhöhnungen nicht weiterzuverbreiten (und damit für seinen Betrugsversuch einzustehen). Tatsache ist: Lounds sagt die Wahrheit.

Fieses Ende, selbst für einen der schmierigsten Reporter der Filmgeschichte: Freddy Lounds endet als menschliche Fackel.

Fieses Ende, selbst für einen der schmierigsten Reporter der Filmgeschichte: Freddy Lounds endet als menschliche Fackel.

Von der Fackel zum Fackelträger?

Seine Recherchemethoden mögen unethisch sein, seine Artikel selbstdarstellerisch, populistisch und verantwortungslos. Eines sind sie allerdings nicht: völlig aus der Luft gegriffen. Selbst das vom FBI lancierte Täterprofil fußt auf echten Erkenntnissen. Gut, der Inzestvorwurf zielt weiter unter die Gürtellinie als ein Dutzend zünftiger „Deine-Mutter-Beleidigungen“, trifft aber zu, weil Dolarhydes Verhältnis zur Familie tatsächlich ein gestörtes ist. Und wie soll man bloß einen Mörder nennen, der sich im letzten Verpuppungsstadium einer Metamorphose zu einem übermächtigen Phantasiewesen wähnt, wenn man das Wort Komplexe nicht in den Mund nehmen darf?

Wird Lounds damit zum Verfechter der Wahrheit? Von der menschlichen Fackel zum Fackelträger? Das sicher nicht: Dafür stehen andere Motive im Vordergrund. Ihm geht es primär darum, Fakten zu Sensationen aufzubauschen. Das treibt die Verkaufszahlen an. Gewalt und Kriminalität werden in den Nachrichten erwiesener Maßen besonders intensiv erlebt und konsumiert, schließlich handelt es sich hierbei um Abweichungen von der Norm. Und letztlich bestimmt die Aufmerksamkeitsökonomie das Angebot der Medien. Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten oder Mann beißt Hund – das sind uralte medientheoretische Bauernweisheiten, die wir alle kennen und noch immer ihre Gültigkeit besitzen. Lounds liefert das, was das Publikum lesen möchte.

Gewalt und Kriminalität werden in den Nachrichten erwiesener Maßen besonders intensiv erlebt und konsumiert, schließlich handelt es sich hierbei um Abweichungen von der Norm. Deshalb ist der Tattler so erfolgreich...

Gewalt und Kriminalität werden in den Nachrichten erwiesener Maßen besonders intensiv erlebt und konsumiert, schließlich handelt es sich hierbei um Abweichungen von der Norm. Deshalb ist der Tattler so erfolgreich…

Der Tattler: Schundblatt und Leitmedium

Bei aller Verachtung für Freddy Lounds und seinen Tattler, so genießen beide einen gewissen Stellenwert. Jeder weiß, dass es sich um Schund handelt, und doch wird er von jedem gelesen. Erinnert irgendwie frappierend an eine große, deutsche Boulevardzeitung mit den vier Buchstaben. Selbst eine Intelligenzbestie wie Hannibal Lecter lässt sich herab, um via Kontaktanzeige mit Francis Dolarhyde zu kommunizieren. Der Mann weiß, wie man Zielgruppen erreicht. Selbst aus einer sterilen Einzelzelle heraus. Der Tattler wird zu einem wichtigen Puzzlestück. Ohne Freddy Lounds keine Ergreifung des Roten Drachen. Im Rahmen der Handlung geht dieser Determinismus diesmal voll in Ordnung.

Ich bin weit davon entfernt, Freddy Lounds die Absolution zu erteilen. Er greift nicht ein, um den Ermittlungen zu einem Erfolg zu verhelfen. Im Gegenteil: Mit Geschichten über blutrünstige Verbrechen verdient er sein Geld. Aber in der Figur steckt mehr als nur die Antithese eines seriösen Journalisten. Durch die selbstverliebte, schmierige Fassade schimmert eine tragische Komponente durch. Betrachtet man die Mimik von Philip Seymour Hoffman näher, sieht man einen Mann, der seinen Dienst pflichtschuldig, ohne große Leidenschaft, verrichtet. Ein Journalist, der sich von seiner Arbeit entfremdet hat.

Bei aller Verachtung für die Arbeitsmethoden von Freddy Lounds: Eigentlich ist er doch eine ganz arme Wurst. ENicht nur, weil er wie ein Riesenbaby auf einen Stuhl fixiert und später angezündet wird...

Bei aller Verachtung für die Arbeitsmethoden von Freddy Lounds: Eigentlich ist er eine ganz arme Wurst. Nicht nur, weil er wie ein Riesenbaby auf einen Stuhl fixiert und später angezündet wird…

Mein Frieden mit Freddy

Zugegeben: Das ist ein Stück weit Interpretation, weil der Film sich über das Innenleben der Figur ausschweigt. Im Roman von Thomas Harris gibt es einen deutlichen Hinweis darauf, dass Lounds nicht immer der Aasgeier vom Dienst war. Demnach war er einst ein Journalist mit Ambitionen – einer, der von der ganz großen Politberichterstattung aus dem Weißen Haus träumte. Als sich nach zehn Jahren journalistischer Plackerei abzeichnet, dass er dieses Ziel nicht erreichen  und womöglich unterbezahlt in einer Sackgasse enden wird, wechselt er in den  Boulevardjournalismus. Dort wird er besser bezahlt – heißt es im Buch.

Wie gesagt: Von Absolution kann keine Rede sein. Aber ich habe meinen Frieden geschlossen. Mit etwas mehr als zehn Jahren Abstand ist mein Blick ein differenzierter. Und wenn ich ehrlich bin, dann hat Freddy Lounds kein Trauma ausgelöst. Sondern „nur“ die Erinnerung an ein solches getriggert. Einige Jahre zuvor gab es einen Vorfall in meinem unmittelbaren Umfeld, der mich die Mechanismen der Schicksalsberichterstattung hautnah erfahren lies. Belästigungen durch Journalisten. Interviews mit vermeintlichen Bekannten, die noch nie jemand zuvor gesehen hat. Falsche Hoffnungen über den Gesundheitszustand aus der Zeitung. Und schließlich eine Beerdigung unter falschem Namen, um ohne Presserummel Abschied nehmen zu können. Alles erlebt. Mein Vertrauen in den Berufsstand war erschüttert. Ich schwor mir: Wenn ich einmal journalistisch arbeiten sollte, würde ich keiner von „denen“ werden. Freddy Lounds hat mich an dieses Versprechen erinnert. Auch deshalb besitzen Journalistenfiguren wie er eine Daseinsberechtigung.

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Führerkult unter Journalisten: Helmut Dietls Schtonk! (1992)

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Hermann Willié Knobel Schtonk

Ob es nun Hitlers Frauen oder Hitlers Flugscheiben über Neuschwabenland sind, Hitlers Helfer oder Hitlers Hoden – jeder weiß: Hitler sells. Dem Stern wurde dieser Führerkult zum Verhängnis. Was als bedeutendster Scoop in die Geschichte des Magazins eingehen sollte, mutierte zum größten Medienskandal der Bundesrepublik: Die Veröffentlichung der Hitler-Tagebücher. Der Film Schtonk! spitzt die   grotesken Ereignisse auf wunderbar beängstigende Art und Weise zu. Dabei ging es Regisseur Helmut Dietl nicht allein darum, die Chronologie des Skandals zu veralbern. Schtonk! arbeitet auf, wozu die Bonner Republik nicht in der Lage war.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: EuroVideo Medien GmbH.

Anfang der 1980er-Jahre wittert der Stern-Star-Reporter Gerd Heidemann die Weltsensation. Über den Mittelsmann Jakob Tiefenthäler gerät der Journalist an den Militaria-Händler Fritz Stiefel. In dessen Sammlung stößt er auf jene Zeilen, die das Dritte Reich bedeuten sollen. Des Führers Tagebuch! Was Heidemann nicht weiß (und später nicht wahrhaben will): Fritz Stiefel lässt sich bereits seit einigen Jahren gefälschte Dokumente, darunter vermeintliche Kunstwerke des Malers Adolf Hitler, unterjubeln. Von wem, das wollen Tiefenthäler und Stiefel nicht verraten. Doch Heidemanns ohnehin starke Obsession für Nazi-Krempel – 1973 erwirbt er eine Motorjacht des Reichmarschalls Hermann Göring! – kennt von nun an kein Halten mehr. Der finanziell in Schieflage geratene Reporter muss dieses Tagebuch auswerten und vermarkten.

Nur wie? Heidemanns Vertrag mit dem Stern läuft aus. Thomas Walde, Ressortleiter für Zeitgeschichte, überzeugt den langjährigen Kriegsberichterstatter, die Tagebücher für das Gruner + Jahr-Flaggschiff zu beschaffen. Da es Heidemann zunächst nicht gelingt, die Bezugsquelle ausfindig zu machen, recherchiert er, ob und wie die Tagebücher des Führers überhaupt in den Umlauf geraten konnten. Nährboden liefern Gerüchte über ein verschollenes Flugzeug, das wenige Tage vor der Kapitulation des Deutschen Reiches aus dem eingekesselten Berlin abgehoben und im bayrischen Wald verunglückt sein soll. An Bord wird allerhand geheimes Zeug vermutet.

Spektakulärer Scoop? Hermann Willié lässt sich für die Entdeckung der Hilter-Tagebücher feiern. Der Untergang kommt noch.

Spektakulärer Scoop? Hermann Willié lässt sich für die Entdeckung der Hilter-Tagebücher feiern. Der Untergang kommt noch.

Echte Geschichte – falsche Tagebücher

Der Reporter lokalisiert den tatsächlichen Absturzort. Dieser befindet sich bei Börnersdorf in der DDR, nahe der Grenze zur Tschechoslowakei. Dort liegt die Besatzung des Flugzeugs begraben. Von der Ladung fehlt jede Spur. Für Heidemann ist jedoch klar: Auf diesem Wege sind Hitlers Tagebücher abhanden gekommen. Felsenfest von der Echtheit der Dokumente überzeugt, wendet er sich erneut an Tiefenthäler. Diesmal bliebt er hartnäckig und bietet dem Beschaffer zwei Millionen DM für die Kopien an – ohne die Rückendeckung des Sterns wohlgemerkt. Tiefenthäler informiert seinen Kontakt – den Kunstfälscher Konrad Kujau. Er ist der Urheber der vermeintlichen Hitler-Ergüsse, die Heidemann in Fritz Stiefels Villa zu Gesicht bekam.

Kujau, von Haus aus Maler, hatte heraus gefunden, dass sich mit der Leichtgläubigkeit von Altnazis und NS-Fetischisten gutes Geld verdienen lässt. Selbst wenn seine Fälschungen aufflögen – wer gäbe sich schon die Blöße, weil er sich einen falschen Hitler andrehen ließ? Eine Presseanfrage ist allerdings ein Kaliber, das es nicht zu unterschätzen gilt. Kujau zögert, stimmt schließlich doch einer Kontaktaufnahme zu. Im Telefonat unterstreicht Heidemann sein Interesse an den Büchern, er erzählt Kujau von seinen Recherchen und seinem Fund in Börnersdorf. Der bauernschlaue Fälscher schaltet sofort: Er wird Heidemanns Erkenntnisse in die Tagebücher einfließen lassen und ihm damit eine zusätzliche Bestätigung liefern.

Vom Loser-Typen zum herrischen Fatzke: Hermann Willié steigt der Ruhm zu Kopf. Erst recht im NS-Wohlfühl-Bademantel.

Vom Loser-Typen zum herrischen Fatzke: Hermann Willié steigt der Ruhm zu Kopf. Erst recht im NS-Wohlfühl-Bademantel.

9,3 Millionen DM für einen Fake

Der Köder ist ausgelegt. Gerd Heidemann und Thomas Walde übergehen die Chefredaktion des Sterns – schließlich soll der Kreis der Mitwisser so klein wie möglich gehalten werden – und wenden sich direkt an die Verlagsleitung. Die bewilligt ein Budget für den Ankauf der Kladden, die Kujau „beschaffen“ wird. Erst ist von 27 Bänden die Rede, am Ende sind es 62 Bücher, die der geschickte Nachahmer in Akkordarbeit anfertigt. Dem Verlag sind die Schriftstücke 9,3 Millionen wert – schließlich plant man im Hause Gruner + Jahr mit einer globalen Vermarktung. Die Verantwortlichen wissen: Hitler sells. Und das weltweit.

Das Problem bei der gesamten Geheimniskrämerei: Eine echte, wissenschaftliche Analyse der Hitler-Tagebücher findet nicht statt. Nur wenige Historiker, darunter der Brite Hugh Trevor-Roper, dürfen einen flüchtigen Blick auf die Schmöker erhaschen. Und die sind bereit, die wissenschaftliche Einordnung zugunsten der Sensation fahren zu lassen. Der Wunsch ist Vater des Gedankens. Nicht nur bei den Stern-Verantwortlichen. Sondern auch bei den Professoren, die danach lechzen, die Geschichte des Dritten Reiches in weiten Teilen umzuschreiben.

Noch ist Hermann Willié (Götz George) der Liebling der Verlagsoberen. Einen Schmatzer von Harald Juhnke gibt es zum Honorar dazu,

Noch ist Hermann Willié (Götz George) der Liebling der Verlagsoberen. Einen Schmatzer von Harald Juhnke gibt es zum Honorar dazu.

Mit Pomp und Pauken ins Verderben

Beseelt vom Hitler-Hype werden die Hinweise auf eine mögliche Fälschung ignoriert. Zeitzeugen bezweifeln die Echtheit. Sie attestieren Hitler eine regelrechte Schreibfaulheit – ausgerechnet der Mann, der weite Teile seines wirren Manifestes Mein Kampf diktiert haben will (neuere Untersuchungen deuten daraufhin, dass Hitler zumindest selbst die Schreibmaschine klackern ließ), sollte der Welt einen umfangreichen, handschriftlichen Nachlass hinterlassen haben? Bekanntschaften aus dem braunen Sumpf machen Heidemann höchstpersönlich auf historische Ungereimtheiten aufmerksam, doch der point of no return ist in den Augen aller Beteiligten längst überschritten. Zuviel Geld ist geflossen, die Eingeweihten haben sich auf die Weltsensation eingeschworen.

Wer sich inwieweit bewusst hat täuschen lassen oder gar etwas ahnte, das werden wir wohl erst dann erfahren, sollten einzelne Akteure von damals zur Lebensbeichte ansetzen. Fakt ist: In einer mediengeschichtlich denkwürdigen Pressekonferenz kündigt der Stern am 25. April 1983 die Veröffentlichung der Hitler-Tagebücher an, zu einem Zeitpunkt, an dem das Ergebnis der materialtechnischen Prüfung durch das Bundeskriminalamt noch nicht vorliegt. In das gewaltige Medienecho mischen sich zahlreiche kritische Stimmen. Hugh Trevor-Ropert selbst revidiert in einer ZDF-Gesprächsrunde am Vorabend der Veröffentlichung sein Urteil. Solange kein Beweis für die Echtheit vorläge, seien die Hitler-Tagebücher als Fälschung zu betrachten. Da läuft die Druckerpresse schon heiß: Am Donnerstag, 28. April, titelt der Stern: Hitlers Tagebücher entdeckt. Eine Woche später vermelden die Agenturen das Ergebnis des BKA-Gutachtens. Das Papier, auf dem die Hitler-Tagebücher geschrieben sind, enthält Weißmacher, die erst nach 1950 in der Herstellung verarbeitet wurden…

Braun, brauner, am braunsten. Altnazis schmücken sich mit vermeintlicher Hitler-Kunst. Dass sie der Fälscher Dr. Knobel (oben, Uwe Ochsenknecht) an der Nase herumführt, ahnen sie nicht.

Braun, brauner, am braunsten. Altnazis schmücken sich mit vermeintlicher Hitler-Kunst. Dass sie der Fälscher Dr. Knobel (oben, Uwe Ochsenknecht) an der Nase herumführt, ahnen sie nicht.

Steilvorlage für Aufklärer Helmut Dietl

Nie zuvor und nie wieder danach ist ein etabliertes und weitgehend anerkanntes Medium derart sehenden Auges auf eine publizistische Katastrophe zugesteuert: Die Stern-Verantwortlichen torpedieren ihre eigene Reputation, indem sie alle journalistische Sorgfalt fahren lassen – mit schwerwiegenden Folgen für die Auflage des Magazins, aber auch für das Ansehen der Presse im Allgemeinen. Bis heute gilt die Veröffentlichung der Hitler-Tagebücher als ein besonders eindringliches Mahnmal für die Sensationsgeilheit der Medien.

Die Ereignisse der frühen 1980er-Jahre sind für Helmut Dietl ein gefundenes Fressen. Bereits mit Kir Royal, seiner TV-Serie Aus dem Leben eines Klatschreporters, schießt sich der Regisseur 1986 auf den Boulevardjournalismus ein. Unvergessen ist die Begegnung zwischen Generaldirektor Heinrich Haffenloher und Schickeria-Reporter Baby Schimmerlos: Mario Adorfs „Isch scheiß disch sowat von zu mit meinem Geld“-Monolog ist deutsche Fernsehgeschichte. In der Episode Adieu Claire thematisiert Dietl ein gesellschaftliches Problem, das gerade in dem Skandal um die Kujau-Fälschungen zum Tragen kommt: die in der Bonner Republik nur leidlich vorangetriebene Aufarbeitung der NS-Vergangenheit.

Der Fälscher und seine Musen. Die Ferres (Mitte) buhlt um die Aufmerksamkeits des Kunstnachahmers Dr. Knobel.

Der Fälscher und seine Musen. Die Ferres (Mitte) buhlt um die Aufmerksamkeits des Kunstnachahmers Dr. Knobel.

Herzensprojekt Schtonk!

Auf dieses gestörte Verhältnis der Deutschen zu ihrer Geschichte hinzuweisen, das ist Dietl ein wichtiges Anliegen. Auch deshalb lässt der gebürtige Münchener all‘ sein Herzblut in die Verfilmung der Stern-Affäre fließen. In fast drei Jahren schreibt er Teile des Drehbuchs bis zu achtzehnmal um und leiert der Bavaria Produktionsgesellschaft ein Millionenbudget aus den Rippen. Auch aus Nordrhein-Westfalen fließt Geld. Schtonk! ist der erste Film, für den ein Förderantrag bei der Filmstiftung NRW eingeht. Am Ende stehen Dietl knapp 14 Millionen DM zur Verfügung – zu Beginn der 1990er Jahre ist das eine Hausnummer, deutsche Blockbuster kosten zu dieser Zeit die Hälfte.

Im Gegensatz zu den Stern-Millionen rentiert sich dieses Investment. Mit 2,1 Millionen Besuchern in Deutschland verfehlt Schtonk! nur knapp die Top Ten des Kinojahres 1992. Auch international findet die deutsche Produktion Beachtung: Die Academy honoriert Dietls satirische Abrechnung mit einer Oscar-Nominierung in der Kategorie Bester ausländischer Film. Doch noch wichtiger ist, was bleibt: Während Blödeleien wie Otto – der Liebesfilm, der ebenfalls 1992 in den Kinos anläuft und Schtonk! an den Kinokassen übertrumpft, heute allerhöchstens als nostalgisches Timepiece des deutschen Humors herhalten, geht Schtonk! als eine der wichtigsten Komödien in die Filmgeschichte der BRD ein – als eine deutsche Nachkriegsreplik auf Charlie Chaplins Der große Diktator.

Das große Vorbild: Charlie Chaplins Der große Diktator. Von Adenoid Hynkel stammt das Kunstwort "Schtonk". Bildmaterial: United Artists.

Das große Vorbild: Charlie Chaplins Der große Diktator. Von Adenoid Hynkel stammt das Kunstwort „Schtonk“. Bildmaterial: United Artists.

Von Adenoid Hynkel zu Hermann Willié

Tatsächlich ist der Titel Schtonk! auf Chaplins Hitler-Parodie zurückzuführen. Andenoid Hynckels greift in seiner kakophonischen Tirade mehrfach auf das Wort Schtonk zurück: „Demokratsie Schtonk! Liberty Schtonk! Free Sprekken Schtonk!“ Schon der Kontext verheißt nichts Gutes, hinzu kommt die phonetische Nähe zum deutschen Wort Stunk. Ob diese Nähe in der Hynkel-Rede beabsichtigt oder Zufall war, ist unklar. Bei Dietl ist der Name Programm.

Obwohl in seinen Einzelszenen wahnsinnig überdreht, hangelt sich Schtonk! recht genau an der echten Chronologie rund um die Veröffentlichung der Hitler-Tagebücher entlang. Viele der oben beschriebenen Ereignisse finden sich in der Filmhandlung wieder. Die Recherchetour nach Börnersdorf etwa. Die Verhandlungen um die Tagebücher, inklusive der exakten, so weit bekannten Ankaufpreise. Und natürlich die legendäre Pressekonferenz, die im Rausch der Protagonisten zur Propagandaveranstaltung verzerrt. Ein Eishauch der Geschichte weht, es müffelt verdächtig nach Goebbels berüchtigter Sportpalastrede. Nach dem Motto: Wollt Ihr die totale Sensation!? Die Figuren auf dem Podest, allen voran das filmische Heidemann-Pendant Hermann Willié (gespielt von Götz George), sind keine Führerkultisten mehr, sie erheben sich selbst zu Kultfiguren. Das Siegerlächeln mutiert zur herrischen Fratze, das Victory-Zeichen zum Hitlergruß.

Das ist doch eindeutig ein "A"! "A" für Adolf! Leider nein, leider gar nicht. Kujau hat improvisiert, als er die passenden Buchstaben nicht zur Hand hatte. Sehr schön zu sehen auf diesem Ausschnitt vom Stern-Cover vom 28. April 1983.

Das ist doch eindeutig ein A! A für Adolf! Leider nein, leider gar nicht. Kujau improvisierte, als er die passenden Buchstaben nicht zur Hand hatte. Sehr schön zu sehen auf diesem Ausschnitt des Stern-Covers vom 28. April 1983.

Führers Hund auf dem Einband?

Dietl trägt dick auf – und doch schimmert unter dem Kleister der Satire stets die Realität durch. Mehr noch: Die wahren Ereignisse erscheinen im Sog der Überzeichnung noch viel absurder. Ein Bespiel: In einer Szene fällt Verantwortlichen des Sterns – im Film in HHExpress umbenannt – auf, dass auf dem Einband eines Tagebuchs die gotischen Initialen FH prangen. Wofür die Buchstaben wohl stehen? Führer Hitler? Führers Hund? Führers Hand? Ein bizarrer Dialog, der umso bizarrer wirkt, wenn man sich vor Augen hält, dass er in Wirklichkeit stattgefunden hat. Nicht wortwörtlich. Aber vom Grundsatz her, als irgendjemandem die ungewöhnlichen Initialen auffielen. Kujau hatte, als er die goldenen Lettern auf den Einband klebte, kein A aus dem passenden Schrifttypensatz Engravers Old English normal parat. Stattdessen verwendete er ein F. Ein frühes Indiz, dass die Schriftstücke womöglich doch nicht so authentisch sind, wie gehofft. Die Stern-Verantwortlichen wischen jeden Zweifel beiseite.

Der Film zeigt auf wundervolle und gleichzeitig erschreckende Weise, welche Eigendynamik die Gier nach Nazisensationen entwickelt. Anfangs ist Verlagsleiter Dr. Guntram Wieland (Ulrich Mühe) wenig von Willés Recherchen erbaut. „Den Nazi-Scheiß will keiner hören“, pampt er seinen Star- und Skandalreporter an. Aus ihm spricht die Verdrängung der Bonner Republik. Erst als sich andeutet, dass „weite Teile der Geschichte des Dritten Reiches umgeschrieben werden müssen“, verfällt Wieland dem Wahn und lässt fortan alle Vernunft vermissen. Ob in dieser Geisteshaltung die Hoffnung auf einen Freispruch in der Frage der deutschen Kollektivschuld mitschwingt, wird im Film nicht ganz klar. Im Kontext der wahren Ereignisse erscheint diese These keineswegs abwegig. In den Tagebüchern distanziert sich Kujaus Hitler von den radikalen Ideen seiner Handlager, die Übergriffe in der Reichspogromnacht im November 1938 verurteilt er. Das sind die Zeilen, nach denen sich Revisionisten die Finger lecken.

Die Metamorphose ist abgeschlossen. Fälscher Knobel versetzt sich während der Anfertigung der Tagebücher nicht nur in Hitler hinein - ihm wird plötzlich ganz blümerrrrant....

Die Metamorphose ist abgeschlossen. Fälscher Knobel versetzt sich während der Anfertigung der Tagebücher nicht nur in Hitler hinein – ihm wird plötzlich ganz blümerrrrant….

Aus Konrad Kujau wird Dr. Knobel

Bei der Darstellung der Figuren nimmt sich Dietl mehr Freiheiten heraus. Uwe Ochsenknecht spielt den Kunstfälscher Dr. Knobel, der seinem Vorbild Konrad Kujau in keiner Weise ähnlich sieht. Aus dem berechnenden, stets auf seinen Vorteil bedachten Fälscher wird ein Stümper, der seine Nachahmungen völlig unbedarft angeht. Die Dokumente bearbeitet er mit Bügeleisen und Toaster, um ihnen den historischen Schliff mitzugeben. Dem echten Kujau mögen zwar einige Schnitzer unterlaufen sein – tatsächlich war seine Herangehensweise eine akribische. Er lieferte „bessere“ Arbeit ab als im Film dargestellt. Unter anderem ließ Kujau Hitler-typische Rechtschreibfehler einfließen. Was nicht heißt, dass die Stern-Reporter nie und nimmer die Echtheit der Tagebücher widerlegen hätten können. Sie wollten die Wahrheit nicht sehen.

Symbolfigur für das Leugnen von Tatsachen ist Hermann Willié, angeleht an den echten Gerd Heidemann. Auch hier nimmt sich der Film künstlerische Freiheiten heraus. War der echte Heidemann vor dessen Demontage ein dekorierter Starreporter, ist die von Götz George herrlich überzogen gespielte Figur das komplette Gegenteil. Ein Loser-Typ, ein Möchtegern-Lebemann, der in der High Society aufgrund seiner unbedarften, sozial verkümmerten Fasson belächelt und abgekanzelt wird. „Schmierig, das ist genau das richtige Wort“, heißt es über ihn. Er selbst sieht sich „als Gefühlsmensch“. „Was für ein gewöhnlicher Zug für einen Reporter“, entgegnet Görings fiktive Nichte Frey Freifrau von Hepp auf Williés unbeholfene Charmeoffensive. So einer hat die Überkompensation bitter nötig. Womit Hermann Willié nicht nur sämtliche Klischees eines Schmalspurjournalisten bedient, sondern gleichzeitig zum Wiedergänger eines ideologisch verwirrten Wiener Kunstmalers zu Beginn des 20. Jahrhunderts avanciert. Der Größenwahn nimmt seinen Lauf und kulminiert in der Sportplast-artigen Pressekonferenz. Ein (kurzer) Triumph des Williés.

Hermann Willié wanzt sich an die Nichte des Reichmarschalls Göring heran. "Schmierig, das ist das richtige Wort", heißt es über den Schmuddelreporter in Schtonk!

Hermann Willié wanzt sich an die Nichte des Reichmarschalls Göring heran. „Schmierig, das ist das richtige Wort“, heißt es über den Schmuddelreporter in Schtonk!

Hermann Willié und Gerd Heidemann

Wie gesagt: Dietl trägt in Schtonk! dick auf, was an der durchkomponierten und gnadenlos überzeichneten Slapstick-Figur des Hermann Willé besonders deutlich wird. Betrachtet man Originalaufnahmen von jener Pressekonferenz im Frühjahr des Jahres 1983, sieht man einen posierenden Gerd Heidemann. Ich meine, einen gewissen Stolz in seinem Blick zu erkennen, aber auch einen Ausdruck des Unbehagens. Wäre es allein nach Heidemann gegangen, hätte er die Auswertung aller verfügbaren Bände abgewartet, doch letztlich soll er sich dem publizistischen Druck der scharrenden Verleger gebeugt haben. Erste Gerüchte über die vermeintliche Sensationsentdeckung schreckten die Verantwortlichen zusätzlich auf.

Kollegen beschreiben den Journalisten als einen hervorragenden Rechercheur, der – einmal von einer Geschichte felsenfest überzeugt – gleichzeitig äußerst kritikresistent gewesen sei. Wahrscheinlich ist, dass Gerd Heidemann die – zum Teil deutlichen –  Anzeichen für einen Schwindel nicht sehen wollte. Heidemanns schwer zu widerlegende Faszination für das Dritte Reich spricht für diese These. Für einen Reporter, der sich mit dem Kauf der Göring-Yacht Carin II in finanzielle Schwierigkeiten bringt, mit der Tochter des NS-Reichsmarschalls (die im Film zur Nichte gemacht wird) verkehrt und Kontakte zu ehemaligen SS-Oberen pflegt, ist ein spektakulärer Hitler-Scoop der Gralsfund schlechthin. Dabei greift er journalistisch in die Scheiße.

Der braune Muff der Vergangenheit

Diese Tatsache macht Gerd Heidemann in der öffentlichen Wahrnehmung zum größten Depp dieser Geschichte. Das spiegelt sich auch im Epilog des Skandals wider: Zwar werden sowohl Heidemann als auch Kujau strafrechtlich belangt (Heidemann aufgrund der Vermutung, er habe Stern-Gelder für den Ankauf der gefälschten Tagebücher unterschlagen). Während der Fälscher jedoch seine Bekanntheit nutzt, um nach der Haftentlassung ein Repro-Atelier aufzubauen, büßt Heidemann seine Reputation ein und lebt zeitweise von Sozialhilfe. Der Stern erleidet einen immensen Imageschaden, bis heute wird das Magazin mit den falschen Hitler-Tagebüchern in Verbindung gebracht. Allerdings: Das Blatt hat sich erholt (laut Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) lag der Stern im ersten Quartal 2016 auflagentechnisch gleichauf mit dem SPIEGEL). Gerd Heidemann nicht.

Nicht, dass man Mitleid mit ihm haben müsste. Und doch ist Heidemann nur ein kleines Rädchen. Dessen filmisches Pendant mag zwar die zentrale Witzfigur in Schtonk! sein, letztendlich ist sie nur ein Vehikel, ein naives Medium, das die Mär von Onkel Hitlers Aufzeichnungen in die Öffentlichkeit zerrt. Schockierender ist  der fruchtbare Boden, auf den diese Mär fällt. Hitler sells. Aber nur, weil es genügend Abnehmer gibt. Schtonk! hat die Medien im Visier, zielt aber vor allem auf die Doppelmoral einer Nachkriegsgesellschaft, die ihre Fortschrittlichkeit und Aufgeklärtheit gegenüber der Vätergeneration betont, insgeheim aber doch ganz gerne am braunen Muff der Vergangenheit schnuppert. Das macht Schtonk! zu einem Produkt seiner Zeit. Und doch irgendwie zeitlos. Leider.

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Nackt im Kartenhaus: Der Enthüllungsjournalismus der Zoe Barnes – House of Cards

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Zoe Barnes HOuse of Cards Journalism

Mit Mobbing und Intrigen ins Weiße Haus: Wo viel Macht zu verteilen ist, da sind die Soziopathen nicht weit. Was liegt da näher, als den Politikbetrieb in House of Cards für bare Münze zu nehmen? Frank Underwoods (Kevin Spacey) Hinterzimmermachenschaften schreien  nach investigativem Enthüllungsjournalismus. Doch Reporterin Zoe Barnes (Kate Mara) lässt lieber die eigenen Hüllen fallen.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Netflix.

— Auch wenn ich mich bemüht habe: Der Text enthält Spoiler zu den ersten drei Staffeln der Serie! —

Skrupellos und Spaß dabei: Die Netflix-Serie House of Cards erzählt die Geschichte von Frank Underwood. Der Demokrat gilt in seiner Partei als Strippenzieher. Egal ob es darum geht, notwendige Mehrheiten im Kongress sicherzustellen oder Abweichler innerhalb des eigenen Lagers wieder auf Kurs zu bringen – Frank Underwood weiß, wie er die Sache anzugehen hat. So einer, das ist klar, strebt nach höherem. Ein Posten im Kabinett des neuen Präsidenten Garrett Walker scheint sicher, doch der Abgeordnete wird übergangen. Als Mehrheitsführer im Kongress sei er am wertvollsten, befindet der neue Machthaber. Der „gnadenlose Pragmatist“ (Underwood über Underwood) hingegen sieht sich um die Lorbeeren seiner politischen Arbeit gebracht.

Von nun an greift Frank Underwood selbst nach dem Präsidentenamt. Dabei ist ihm jedes Mittel recht: Underwood ist ein machthungriger Karrierist. Verschlagen, manipulativ, wortwörtlich bereit, über Leichen zu gehen. Keiner, den man sich zum Nachbarn wünscht. Und doch schauen Millionen mit Vergnügen zu. Das liegt ganz sicher an Kevin Spacey, der Frank Underwood eine teuflische Würde verleiht, die einerseits beängstigend ist, im selben Augenblick aber in den Bann zieht – nicht zuletzt, weil er immer wieder mit der vierten Wand bricht und den Zuschauer in seine intriganten Pläne einweiht. Der Betrachter wird zum Mitwisser. Einmal mittendrin, verwandelt sich die schnöde Politik in ein fesselndes Drama, wie es das Kino nur selten hinbekommt. Nicht umsonst gilt House of Cards als Paradebeispiel für die neue Überlegenheit des Quality-TV.

Ein typischer Frank Underwood: Mit diabolischem Blick wendet sich der demokratische Mehrheitsführer dem Publikum zu, um es in seine Pläne einzuweihen. Der Zuschauer wird zum Mitwisser.

Ein typischer Frank Underwood: Mit diabolischem Blick wendet sich der demokratische Mehrheitsführer dem Publikum zu, um es in seine Pläne einzuweihen. Der Zuschauer wird zum Mitwisser.

Realistische Politik in House of Cards?

In den meisten Filmen werden Politiker wahlweise als inkompetente Günstlinge, korrupte Aasgeier oder strahlende (US-)Helden dargestellt. So wie es der Plot gerade verlangt. Hauptsache plakativ. Als serielles Format gönnt sich House of Cards den Luxus, ein dichtes Netz aus Machenschaften zu spinnen, in dem selbst politikscheue Zuscheher kleben bleiben. Jede Figur in diesem Sumpf verfolgt ihre eigene Agenda. Der Zuschauer hat das Gefühl, dass er mehr als die üblichen Klischees vorgesetzt bekommt – und sieht sich doch in seinem Bild bestätigt: Dass es in der Politik weniger um Sachargumente geht, sondern vielmehr um Beziehungen und Ränkespiele.

House of Cards genießt den Ruf einer „realistischen“ Serie. Das Drehbuch basiert auf dem gleichnamigen Roman des ehemaligen Politikers Michael Dobbs, der selbst jahrelang als Drahtzieher der britischen Conservative Party fungierte und heute als Serien-Produzent auftritt. Zuspruch gibt es von prominenter Seite, allen voran von  Edelfans wie Barack Obama oder Bill Clinton, die sich mal mehr, mal weniger augenzwinkernd zum Wahrheitsgehalt der Serie äußerten. „99 Prozent von House of Cards stimmen mit der Realität überein. Aber es ist unmöglich, dermaßen schnell ein Bildungsgesetz zu verabschieden“, soll Ex-Präsident Clinton im persönlichen Gespräch mit Hauptdarsteller Spacey einmal gesagt haben. In Deutschland erklärte der ehemalige Umweltminister Jürgen Trittin, vieles in House of Cards kein „Fernsehen, sondern Wirklichkeit.“ Unterstützung gibt es auch aus der Forschung: „Als Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus hat Frank Underwood viele Deals ausgehandelt, um für bestimmte Gesetze genügend Stimmen zu bekommen – so funktioniert das tatsächlich in der US-Politik“, urteilt die amerikanische Politikwissenschaftlerin Wendy Schiller.

Tom Hammerschmidt ist Chefredakteur des Washington Herald und ein Journalist alter Schule: In erster Linie ist er daran interessiert, die verbleibenden Zeitungsabonnenten zu halten. Internet? Das ist neumodischer Schnickschnack!

Tom Hammerschmidt ist Chefredakteur des Washington Herald und ein Journalist alter Schule: In erster Linie ist er daran interessiert, die verbleibenden Zeitungsabonnenten zu halten. Internet? Das ist neumodischer Schnickschnack!

Starke Politik, schwacher Journalismus

Man kann es nicht leugnen: In seinen besten Momenten ist House of Cards spannendes Polit-TV. In seinen schlechtesten schrumpft die preisgekrönte Serie auf Soap-Niveau zusammen. Etwa dann, wenn sich Frank Underwood und dessen Frau zu einem Dreier mit ihrem Leibwächter Meechum hinreißen lassen. Der Rest ist der Stoff, aus dem (gute) Thriller gemacht sind. Den Vize- und anschließend den Präsidenten aus den Ämtern zu verdrängen, um schließlich selbst Platz im Oval Office zu nehmen, wäre in der Realität ein wohl schwieriges Unterfangen. Erst recht mit einem Mordkomplott auf dem Kerbholz. „In Wahrheit wären einem wohl die Medien auf die Schliche gekommen“, ist sich zumindest Wendy Schiller sicher.

Hoffen wir, dass Wendy Schiller Recht behält, was die Leistungsfähigkeit der echten Medien betrifft. Die Medien in House of Cards bieten Frank Underwood jedenfalls keinen Einhalt. Zwar lässt die Serie keinen Zweifel daran, dass der investigative Journalismus ein hohes Gut ist, zum Schuss kommen die Journalisten allerdings nicht. Das liegt in erster Linie an der Allmacht des Protagonisten, der sich gar nicht lange mit unbequemen Fragestellern herumschlägt. Aber nicht ausschließlich. Ein Teil des Problems ist hausgemacht: Der Journalismus in House of Cards ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass er den Mächtigen ein Bein stellen kann. Mal sind es redaktionelle Zwänge oder finanzielle Engpässe, die eine Veröffentlichung bzw. tiefer gehende Recherche verhindern, mal sind die einzelnen Journalistenfiguren nicht fähig oder willens, ihre journalistische Pflicht auszuüben.

Sie kommt der Wahrheit in der dritten Staffel gefährlich nahe: Ayla Sayyad vom Wall Street Telegraph. Doch als sie ihre Schuldigkeit getan hat, wird ihr die Presseakkreditierung entzogen. Ohne Lobby schreibt sie in den luftleeren Raum.

Sie kommt der Wahrheit in der dritten Staffel gefährlich nahe: Ayla Sayyad vom Wall Street Telegraph. Doch als sie ihre Schuldigkeit getan hat, wird ihr die Presseakkreditierung entzogen. Ohne Lobby schreibt sie in den luftleeren Raum hinein.

Journalisten in HoC sind nur Nebendarsteller

Der Chef-Redakteur des Washington Herald, Tom Hammerschmidt, etwa scheitert an seiner Unfähigkeit, die Zeichen der Zeit zu erkennen (Staffel 1). Janine Skorsky, zu Beginn der Serie immerhin verantwortliche Politikredakteurin in ihrem Hause, zieht sich aus dem Journalismus zurück, als ihr die Sache zu heiß wird (Staffel 2). Ayla Sayyad vom Wall Street Telegraph wird die Presseakkreditierung für das Weiße Haus entzogen und verfügt anschließend nicht mehr über die Lobby, um die von ihr aufgedeckten Querverbindungen publik zu machen (Staffel 3). Obwohl sie zum Teil sehr nahe an der Wahrheit dran sind, durchaus wichtige Funktionen in der Erzählung erfüllen, bleiben die Journalisten in House of Cards nur Außenstehende. Kate Baldwin, Ayla Sayyads engagierte Nachfolgerin, stellt zumindest die richtigen Fragen und könnte – Stand Ende der dritten Staffel – im weiteren Verlauf eine gewichtige Rolle einnehmen. Wobei: So, wie die Serie bisher funktioniert – am Ende gewinnt immer Frank Underwood – besteht wenig Anlass zur Hoffnung.

Eine Figur sticht aus dieser Melange aus journalistischer Nebendarstellern heraus: Zoe Barnes. Nicht unbedingt, weil sie eine besonders gute Journalistin wäre. Sondern, weil sie eine Schlüsselfigur der ersten Staffel ist. Zu Beginn der Serie tritt Zoe Barnes als grünschnäbelige, aber ambitionierte Journalistin auf, die ihren Platz in der Redaktion des Washington Herald noch finden muss. Die Arrivierten machen es ihr nicht leicht: Die für das Weiße Haus zuständige Politikredakteurin Janine Skorsky denkt nicht daran, der Neuen auf Augenhöhe zu begegnen, Chefredakteur Hammerschmidt ist ein Vertreter der alten Schule und bremst Zoe Barnes in ihrer Begeisterung für Neue Medien aus.

Folgenreiches Treffen: Der Politiker Frank Underwood und die Journalistin Zoe Barnes sitzen bald im selben Boot. So harmonisch wie auf dem Gemälde im Hintergrund wird's aber nicht.

Folgenreiches Treffen: Der Politiker Frank Underwood und die Journalistin Zoe Barnes sitzen bald im selben Boot. So harmonisch wie auf dem Gemälde im Hintergrund wird’s aber nicht.

Zoe Barnes und der Pakt mit dem Teufel

Ihr Standing verbessert sich schlagartig, als sie mit einem Insider-Bericht für Aufsehen sorgt. Die brisanten Informationen stammen von Frank Underwood. Der ausgebuffte Politiker ahnt sofort, welches „Potenzial“ in Zoe Barnes schlummert. Eine junge Anfängerin, die sich in zwei Ellenbogen-Branchen gleichzeitig behaupten muss, ist ganz sicher empfänglich für die eine oder andere Anschubhilfe. Er verschleiert noch nicht mal seine wahren Motive, als er der Nachwuchsjournalistin eine Zusammenarbeit offeriert. Underwood wittert die Gelegenheit, seine politischen Widersacher medial auszuspielen. Im Gegenzug bietet er der Reporterin Informationen aus dem Umfeld des Weißen Haus an. Zoes Barnes steigt auf diesen Deal ein. Mehr noch: Sie sichert ihm ihre bedingungslose Unterstützung zu. Solange sie über die Hintergründe in der Politik informiert werde, sei sie bereit, alles zu schreiben. Der Zuschauer weiß: Zoe Barnes hat soeben einen Pakt mit dem Teufel unterschrieben.

Menschlich mag man ihr diesen Opportunismus nachsehen: Macht ist verführerisch. Frank Underwood öffnet ihr eine Tür, die für andere ein ganzes Leben lang verschlossen bleibt. Indem sie jedoch durch diese Tür hindurch geht, verspielt Zoe Barnes ihren Kredit als ernstzunehmende Journalistin. Sie verstößt gegen die ethischen Grundsätze ihres Berufstandes. Es wird nicht das letzte Mal bleiben. Im Gegenteil, es kommt noch doller: Barnes und Underwood tauschen im Verlauf der Staffel nicht nur Informationen, sondern auch Körpersäfte aus. Als hätte man es geahnt. Wieso sollte eine Journalistin heutzutage auch ohne den Tauschhandel Sex gegen Informationen auskommen können?

Hey Du! Willst Du eine Fünf kaufen?? - Eine Fünf??? - Pssst! Ja genauuu! Konspiratives Treffen in der U-Bahn zwischen Zoes Barnes und Frank Underwood beinahe inkognito.

„Hey Du! Willst Du eine Fünf kaufen??“ – „Eine Fünf???“ – „Pssst! Ja genauuu!“ Konspiratives Treffen in der U-Bahn zwischen Zoes Barnes und Frank Underwood beinahe inkognito.

Die Journalistin wird zur Hure gemacht

Die Intention hinter diesem Motiv mag aus dramaturgischer Sicht einleuchten: Einmal eng umschlungen, lassen sich Privates und Berufliches nur schwer voneinander trennen. Sex verkompliziert eine Beziehung, Begierde und Eifersucht verleiten zu Affekthandlungen. Einer wie Frank Underwood, der in seiner Rolle als kalkulierender Menschenfänger im Abgeordnetenhaus unantastbar scheint, wirkt plötzlich verletzlich: Wie ein alternder Dandy, der sich mit jungem Gemüse frisch hält; wohl wissend, dass ihm seine Gespielin intellektuell nicht das Wasser reichen kann, während sich seine Ehefrau in die Arme eines Nebenbuhlers sinken lässt. Das ist Drama, Baby!

Aus feministischer Sicht ist eine Journalistinnenfigur wie Zoe Barnes allerdings ein Schlag ins Gesicht. Journalistinnen, die mit ihren Informanten ins Bett springen, verlieren nicht nur ihre journalistische Unversehrtheit, sie werden de facto zu Huren gemacht. Wer nun einwendet, Zoe Barnes setze ihre Reize bewusst ein, um einen Vorteil zu erlangen – dieses Argument der Selbstbestimmung zieht an dieser Stelle nicht: Zoe Barnes ist zu naiv und unerfahren, um eine ebenbürtige Gegenspielerin zu sein. Sie weiß nicht, worauf sie sich einlässt; sie erliegt der Verführung. Mit ihrer Zustimmung zu diesem Deal hat sie bereits verloren. Denn auch das ist ein beliebtes Motiv in amerikanischen Produktionen: Fiktive Journalistinnen müssen für den Verlust ihrer Unschuld büßen – und vor dem Publikum zu Kreuze kriechen. Man denke etwa an Figuren wie Heather Holloway (Thank you for smoking) oder Nina Romina (Nightcrawler). Auch Zoe Barnes – so viel sei verraten – kommt nicht ungeschoren davon.

Janine Skorsky (links) ist die verantwortliche Politikredakteur beim Herald. Erst traut sie Zoe nicht über den Weg, später tauschen die beiden Frauengeschichten aus.

„Mit wem schläfst Du?“ Janine Skorsky (links) ist die verantwortliche Politikredakteur beim Herald. Erst traut sie Zoe nicht über den Weg, später tauschen die beiden Frauengeschichten aus.

HoC: Mal reaktionär, mal up to date

Das von vielen für seine Beziehungsgeflechte hochgelobte House of Cards zeigt sich ausgerechnet in der Darstellung von Journalistinnen reichlich reaktionär. Besonders problematisch: Die Serie greift das Bild von der berechnenden Kurtisane im Journalistinnengewand nicht nur auf, sie kultiviert dieses Bild geradezu. Der sexuell motivierte Beischlaf ist in House of Cards ein akzeptierter Brauch unter ambitionierten Jungreporterinnen. Als Zoe Barnes mit den exklusiven Infos in der Redaktion aufschlägt, lautet die erste Frage: „Mit wem schläfst Du?“ Als seien Auskünfte, die über die offiziellen Verlautbarungen hinaus gehen, gar nicht mehr auf anderem Wege zu beschaffen. Ausgerechnet die verantwortliche Politikredakteurin Janine Skorsky sieht in der dieser Form der Intensivrecherche nichts Verwerfliches: „Ich habe früher mit jedem gevögelt, jedem einen geblasen, um eine gute Story zu bekommen.“

Der Umgang mit Zoe Barnes ist insofern ärgerlich, weil House of Cards durchaus in der Lage ist, richtige und wichtige Fragen zum Zustand moderner (Polit-)Berichterstattung zu stellen. In dem Clinch zwischen Barnes und Chefredakteur Hammerschmidt etwa steckt nicht nur ein Geschlechterkampf (hier schlägt sich House of Cards übrigens auf die Seite der Frau…), in ihm spiegelt sich der Konflikt zwischen Print und Online wider. Hammerschmidt ist ein Zeitungsredakteur alter Schule, der primär für die schrumpfende Massse der Abonnenten schreibt, während Zoes Barnes die Vorzüge der Berichterstattung im Netz und in den Sozialen Medien bevorzugt. Frustriert wechselt sie in die Redaktion des Online-Magazins Slugline, das ohne die starren Hiercharchien eines Zeitungsverlages auskommt und in dem die Demarkationslinie zwischen Journalisten und Bloggern verschwimmt. Wie sich Slugline finanziell trägt, darüber schweigt sich House of Cards aus, offenbar ist das Projekt aber erfolgreich genug, um verheißungsvolle Reportersternchen anzuheuern. Selbst Janine Skorsky wechselt später die Seiten.

Journalistin Kate Baldwin stellt in der dritten Staffel die richtigen Fragen. Das macht Hoffnung für die vierte Staffel, die ich demnächst bingewatche. Wobei: Mit dem Kleider-Anbehalten hat es Frau Baldwin auch nicht so...

Journalistin Kate Baldwin stellt in der dritten Staffel die richtigen Fragen. Das macht Hoffnung für die vierte Staffel, die ich demnächst bingewatche. Wobei: Mit dem Kleider-Anbehalten hat es Frau Baldwin auch nicht so…

Die Digitalisierung des Journalismus

House of Cards veranschaulicht, welche Herausforderungen die Digitalisierung des Journalismus mit sich bringt. So zeigt die Serie zeigt etwa die Vor- und Nachteile von Nachrichten in Echtzeit. Traditionelle Medien wie der Washington Herald stehen verstärkt unter Zugzwang: Journalistische Angebote im Netz entziehen der Zeitung nicht nur Leser (und damit zahlende Kunden), sie bedeuten zusätzliche Konkurrenz, wenn es darum geht, Geschichten exklusiv zu verbreiten. Der Produktionszyklus aus Themenkonferenz, Redaktionsschluss und Druckerpresse kollidiert mit der Schnelllebigkeit des Internets. Daraus ergibt sich ein Recherchedruck – wie lange kann es sich ein Journalist erlauben, eine Story auf Herz und Nieren zu prüfen, ohne dass andere zuvorkommen? Dieser Druck spielt den Mächtigen wie Frank Underwood in die Karten, die mit vorgeschobener Großzügigkeit ihre Brotkrumen auswerfen, um die öffentliche Meinung zum richtigen Zeitpunkt zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

Gleichwohl eröffnet die Digitalisierung den Medienschaffenden neue Freiheiten: Im Internet sind die Journalisten frei von Zeilenbegrenzungen und redaktionellen Zwängen, sie können ihrerseits ihre Berichterstattung an der öffentlichen Meinung ausrichten. Journalistinnen wie Zoe Barnes wissen, wie ihre Leserschaft tickt, weil sie den Dialog im Netz suchen. Die Erkenntnisse hieraus weiß sie für ihre eigenen Zwecke auszunutzen. In Zeiten, in denen Journalisten verstärkt als Freelancer unterwegs sind, kommt mehr denn je darauf an, gezieltes Eigenmarketing zu betreiben. Zoes Barnes baut ihren Namen mit Hilfe der Sozialen Medien zu einer Marke aus. Diese Marke ist zur Halbzeit der ersten Staffel so stark, dass ein Tweet von ihr ausreicht, um eine Gender-Debatte anzustoßen, die ihrem Chefredakteur Tom Hammerschmidt den Job kostet. (Wobei ein Chef, der seine Mitarbeiterin als „Fotze“ bezeichnet, auch ohne veritablen Shitstorm zu Fall gekommen wäre…)

House of Cards verhandelt diesen Konflikt zwischen alten und neuen Medien nicht zu Ende, in den beiden folgenden Staffeln kehrt die Serie zum etablierten Zeitungsjournalismus zurück. Was bleibt, ist das Problem der Distanz. Auch wenn das Verhältnis zwischen Zoe Barnes und Frank Underwood ausufert: Kontakte zwischen Journalisten und Politkern sind natürlich Bestandteil des Geschäfts. Ohne Beziehungen geht, wie in vielen Bereichen des Lebens, bekanntlich wenig. Doch anstatt die Grenzen dieser Verbindung auszuloten, tappt House of Cards unbeholfen in die Sexfalle. Schade, denn das hat diese ansonsten großartige Serie gar nicht nötig.

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Zum Heimkinostart: Unser Spotlight-Gewinnspiel!

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Ab sofort im Handel - und bei uns im Gewinnspiel: Spotlight auf DVD und BluRay!

Für viele ist er der beste Journalistenfilm seit Die Unbestechlichen – für die Academy ist er zumindest der beste Film der vergangenen Oscar-Saison: Ab heute ist Spotlight für’s Heimkino erhältlich.  Zur Feier des Tages lassen wir uns nicht lumpen: Journalistenfilme.de verlost zwei DVDs!

Bildmaterial: Universal Pictures Germany GmbH

Journalisten einer Zeitung in Boston decken den systematischen Kindesmissbrauch innerhalb der katholischen Kirche auf: Spotlight erzählt die wahre Geschichte einer Recherche, die den Glauben in das Gute massiv erschütterte. Die Artikel des Boston Globe lösten eine Lawine aus – zahlreiche Betroffene meldeten sich zu Wort, Missbrauchsfälle aus aller Welt kamen zum Vorschein.

Obwohl diese Geschichte noch gar nicht so lange her ist, skizziert Spotlight einen nostalgischen, irgendwie aus der Zeit gefallenen Journalismus. Aus der Zeit gefallen deshalb, weil er die ökonomischen Zwänge und die medienkritischen Diskurse von heute zwar nicht ganz ausblendet, aber doch nur am Rande streift. Spotlight zeigt Journalismus, wie er sein sollte: Uneitel, verantwortungsvoll, hartnäckig. Und vor allem: Nachahmenswert.

Spotlight zu gewinnen!

Dieser Meilenstein des Journalistenkinos ist ab dem heutigen Donnerstag auf BluRay und DVD erhältlich*. Zum Heimkinostart verlost journalistenfilme.de 2 x 1 DVD von Spotlight! Was Ihr tun müsst, um bei unserem Gewinnspiel abzuräumen? Beantwortet uns einfach folgende Fragen:

Welcher Journalistenfilm ist Euer Lieblingsjournalistenfilm? Und warum ist er das?

Die Antworten könnt Ihr uns entweder hier im Blog unter diesem Beitrag oder aber bei Facebook unter dem entsprechenden FB-Post da lassen. Teilnahmeschluss ist Sonntag, 17. Juli 2016. Jeder Blog- und Facebook-Kommentar nimmt an dem Gewinnspiel teil, am Ende entscheidet das Los. Solltet Ihr zu den Glücklichen gehören, nehme ich Kontakt zu Euch auf – E-Mailadressen, die Ihr im Kommentarfeld hinterlasst, werden ausschließlich zu diesem Zweck genutzt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Wir wünschen viel Glück!

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Journalisten im Film und ihre Vorbilder

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Wir zeigen Journalisten im Film - und ihre Vorbilder.

Journalistenfilme sind dann am besten, wenn sie auf Tatsachen beruhen. Die spannendsten Geschichten schreibt noch immer das echte Leben. Doch wer echte Menschen porträtiert, trägt Verantwortung: Schließlich schafft er ein Medium der Erinnerung, das die Wahrnehmung einer Person nachhaltig beeinflussen kann. In unserer Bildergalerie zeigen wir, wie Journalisten im Film ihre berühmten Vorbilder prägten.

Bob Woodward und Carl Bernstein
(Die Unbestechlichen)

 

Die wohl bekanntesten Journalisten im Film – Bob Woodward und Carl Bernstein – waren mehr oder weniger journalistische Grünschnäbel, als sie die Hintergründe des Einbruchs im Watergate-Hotel recherchierten. Als US-Präsident Richard Nixon wegen einer Reihe von Machtmissbräuchen das Weiße Haus räumte, waren sie die Shooting Stars am Reporterhimmel. Doch erst der Film Die Unbestechlichen (All The President’s Men) machte sie zu Vorbildern einer gesamten Journalistengeneration. Robert Redford, der sich früh um die Buchrechte bemüht und später selbst in die Rolle von Bob Woodward schlüpft, legt viel Wert auf Akkuratesse, zusammen mit Co-Star Dustin Hoffman  hospitiert er wochenlang in der Redaktion der Washington Post. Umgekehrt nehmen Woodward und Bernstein Einfluss aufs Drehbuch, insbesondere Bernstein habe seine Figur in ein besonders schmeichelhaftes Licht rücken wollen – vor allem was seine Wirkung auf Frauen betrifft. Mit Dustin Hoffman ist er sehr gut bedient.

Hunter S. Thompson
(Fear And Loathing in Las Vegas)

 

Die Entwicklungsgeschichte von Fear And Loathing in Las Vegas ist eine holprige: Jahrzehntelang liegt die Verfilmung von Hunter S. Thompsons drogengeschwängerter Abrechnung mit dem American Dream auf Eis. Jack Nicholson, Dan Akroyd und John Malkovich altern schneller als die Produktion vorankommt. John Cusack erhält beinahe den Zuschlag – doch dann trifft Hunter S. Thompson auf Johnny Depp. Von nun an kommt kein anderer Kandidat in Frage: Johnny Depp sieht Hunter S. Thompson im fertigen Film nicht nur täuschend ähnlich, er kultiviert Gestik und Mimik des Gonzo-Journalisten. „Der Film ist wie eine schaurige Trompete, die nach einem verlorenen Kampf über dem Schlachtfeld erklingt“, sagte Thompson einmal zum fertigen Film. Was so viel heißt wie: Der Film trifft das Buch auf den Kopf. Er und Depp blieben bis zu seinem Selbstmord im Jahre 2005 enge Freunde. Bei der Trauerfeier zündet der Schauspieler die Kanone, die Thompsons Asche verstreut.

Robert Graysmith
(Zodiac – Die Spur des Killers)

 

In David Finchers Zodiac – Die Spur des Killers spielt Jake Gyllenhaal den Karikaturisten Robert Graysmith, der nach einer anfänglichen Faszination für den ungelösten Fall der Zodiac-Morde immer tiefer und tiefer in eine Obsession abdriftet. Der echte Graysmith avanciert über die Jahre zum Zodiac-Experten, verfasst mehrere Bücher über die rätselhafte Mordserie. Über Jake Gyllenhaals Darstellung sagt Graysmith im Interview: „Ich hätte nie von mir behauptet, dass ich vom Zodiac-Fall besessen gewesen wäre. Aber ich muss zugeben: Jake bringt meine Verfassung von damals auf den Punkt.“

Walter „Robby“ Robinson
(Spotlight)

 

Der Boston Globe gegen die Katholische Kirche: In Spotlight deckt das gleichnamige Rechercheteam einen weitläufigen Missbrauchsskandal auf. Walter „Robby“ Robinson ist der Chef der Truppe, als Bostoner Urgestein bestens in der Bostoner Stadtgesellschaft vernetzt. Michael Keaton gibt einen feinfühligen, aber unnachgiebigen Journalisten, dem die Menschen in seiner Stadt besonders am Herzen liegen. Gerade deshalb trifft ihn eine Erkenntnis besonders hart: Der Boston Globe hätte den Kindesmissbrauch schon viel eher ans Licht bringen können, wie der echte Robinson im Interview bestätigt: „[…] There was a story the Globe actually ran in 1993. The Boston Herald also ran this story, and both papers buried it inside, about this one lawyer, Eric MacLeish [played in the film by Billy Crudup] who basically sent out a press release saying that he had found 20 priests in the archdiocese [who had been accused of misconduct]. Now, in truth, looking back on it and knowing Eric MacLeish, that was Eric MacLeish trying to get attention to himself so he could get more clients, which he did. We published this story and we buried it.“

Michael Rezendes
(Spotlight)

 

Walter „Robby“ Robinson mag zwar der führende Kopf des Spotlight-Rechercheteams sein, Michael Rezendes aber ist in der öffentlichen Wahrnehmung das Gesicht der Truppe. Das hat er (einem besonders gut aussehenden) Mark Ruffalo zu verdanken, der Rezendes als einen verbissenen, leicht manischen, aber aufrichtigen Journalisten porträtiert. Gemeinsam zeigten sich der Schauspieler und der Boston Globe-Reporter (er arbeitet noch immer für dasselbe Blatt!) auf dem roten Teppich, nicht zuletzt bei der Oscar-Verleihung. Rezendes lobt nicht nur die erschreckend treffende Performance („Oh god, he’s got my laugh!“), sondern auch die gewissenhafte Vorbereitung Ruffalos: Mark came into my home and very first thing he did was he sat down at a coffee table, and he opened up a notebook, and he had his pen out, and he had his iPhone out, and eventually he was taking photographs of my coffee table and my bookcase, and he was asking me a lot of questions and my first reaction was, „This is really incredibly intrusive.“ […] “ It was outrageous, really. And then I thought to myself, „Well, gee, how many times have I
done this to people? This is my comeuppance. This is justice. I deserve this.“

Lowell Bergman
(Insider)

 

Mehr Berufspathos geht nicht: Al Pacino spielt in Insider den „Superjournalisten“ Lowell Bergman. Bergman arbeitet für die legendäre CBS-Nachrichtensendung 60 Minutes, sein Job ist es, mögliche Interviewpartner zu identifizieren und sie auf das Auspacken vor laufender Kamera vorzubereiten. Er trifft auf einen Whistleblower aus der Tabakindustrie (gespielt von Russell Crowe), der bezeugen kann, wie die großen Konzerne die gesundheitsschädlichen Folgen des Rauchens systematisch verschleiern. Die Geschichte ist im Kasten, da drohen die Zigarettenhersteller mit einer milliardenschweren Klage: Al Pacino Lowell Bergman ist der einzige, der jetzt noch an die Integrität des Journalismus appelliert, und das besonders ausschweifend. Typisch Al. Selbst der echte Bergman hält die – ohne Frage sehenswerte Pacino-Show – ein bisschen zu idealistisch geraten („a bit too neat„).

Mary Mapes
(Der Moment der Wahrheit)

 

Auch der aktuellste Film in dieser Galerie (eine Besprechung auf journalistenfilme.de folgt) beschäftigt sich mit einem weiteren Fall aus dem Kontroversenfundus des 60 Minutes-Magazins. Mary Mapes produziert im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl 2004 einen Beitrag, in dem es um George W. Bushs Karriere bei der Nationalgarde zur Zeit des Vietnamkriegs geht. Ausgerechnet der Kriegspräsident Bush (Afghanistan, Irak) soll sich mit Hilfe einflussreicher Freunde um einen Einsatz in Südostasien gedrückt haben. Doch Der Moment der Wahrheit wird zum Bumerang. Mapes und ihrem Team werden grobe Fehler bei der Recherche vorgeworfen. Am Ende steht nicht die Geschichte, sondern die politische Haltung einer Frau im Fokus, die ganz anders ist, als es das konservative Amerika gerne hätte. Journalisten im Film kommen selten ohne Pathos aus, auch Mary Mapes nicht, allerdings man kommt nicht umher, Cate Blanchett eine brilliante Leistung zu attestieren: Die von ihr gespielte Figur ist eine der stärksten Journalistinnenfiguren überhaupt. Eine Genugtuung für die echte Mapes? Nachdem der Skandal ihren Job bei 60 Minutes kostete, kehrte sie nicht mehr ins Fernsehen zurück. Dafür wurde ihr Buch Truth and Duty: The Press, the President, and the Privilege of Power verfilmt.

Dan Rather
(Der Moment der Wahrheit)

 

Dan Rather ist eine Moderatorengröße in den USA. Klar, dass der Elder Statesman der TV-Nachrichten von einem Grand­sei­g­neur Hollywoods gespielt werden muss.  Robert Redford sieht zwar nicht mal ansatzweise so aus wie der echte Dan Rather, doch er verleiht ihm die richtige Würde, die einem verdienten Nachrichtenmann gebührt. Gleichzeitig ist er der väterliche Mentor von Mary Mapes. Redford trägt zwar dick auf und wirft mit journalistischen Kalenderweisheiten um sich. Einem Kinoaktivisten wie ihm lässt man das aber gerne durchgehen. Schließlich ist er ein großer Verfechter des unabhängigen, investigativen Journalismus. Auch 40 Jahre nach Die Unbestechlichen wird Redford nicht müde, die Notwendigkeit einer freien, verantwortungsvollen Presse zu unterstreichen.

Welche „echten“ Journalisten im Film fallen Euch noch ein?

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Kurz notiert: Zombieflüsterin Terri Morales aus Resident Evil: Apocalypse

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Terri Morales aus Resident Evil: Apocalypse.

Es gibt Filme, an die hätte ich nie gedacht, als ich die Akte Journalistenfilme öffnete. Resident Evil: Apocalypse ist einer dieser Filme. Und das ist auch gut so. Immer nur dabei zuzugucken, wie Journalisten Dokumente wälzen und Klinken putzen, macht auf Dauer müde. Ein Zombie-Happen wie Terri Morales ist da eine willkommene Abwechslung. 

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Columbia Tristar.

Zur Person: Terri Morales (Sandrine Holt) hat es nicht leicht. Als ambitionierte Journalistin lechzt sie nach den ganz großen Geschichten, die die Welt bedeuten. Doch aus unerfindlichen Gründen fristet sie ein Dasein als Wetteransagerin beim lokalen Stadtsender Raccon 7. Jetzt, wo die skrupellose Umbrella Corporation es für glorreiche Idee hält, den mit dem T-Virus verseuchten und verschütteten Hive (die unterirdische Forschungsstation aus Resident Evil) auszubuddeln, wittert sie die Chance auf ein Knaller-Comeback. Die Zombie-Apokalypse als Karriere-Boost? Wieso nicht? Dagegen ist Kriegsberichterstattung Kindergeburtstag.

Funktion: Wozu etabliert ein Film wie Resident Evil: Apocalypse eine Figur wie Terri Morales? Um die wahnwitzigen Genexperimente eines allmächtigen Biowaffenkonzerns aufzudecken? Wer Umbrella kennt, der weiß, dass sich das rücksichtslose Unternehmen nicht von einer Journalistin mit Digicam bloßstellen lässt. Terri Morales ist auch gar nicht ernsthaft an einer Aufarbeitung der Umbrella-Verschwörung interessiert. Ihre journalistische Arbeit beschränkt sich darauf, verwackelte Amateuraufnahmen zu produzieren und die restliche Survival-Clique um Jill Valentine mit ihren Emmy-Träumereien zu nerven. Dem Zuschauer bleibt sie durch ihren unübertroffenen Scharfsinn in Erinnerung. Beste Blitzmerker-Bemerkung: „Bin ich die Einzige, die es beunruhigt, dass wir über einen Friedhof laufen?“ Liebe Terri: So ein Totenacker in einer Stadt voller schlurfender Zombies macht den Kohl nicht mehr fett. Ernsthaft.

Top 5 der dümmsten Zombie-Tode? Chapeau, Terri Morales!

Trivia: Nervtötende Journalisten ohne Existenzberechtigung bekommen das, was sie verdienen. Sie werden von einer Horde zombifizierter Grundschulkinder wegschnabuliert. Dieses Ableben war der Seite Zombies 4 Breakfast eine lobende Erwähnung in der Top 5 der Zombie movie deaths that resulted from sheer stupidity and carelessness wert. Chapeau, Miss Morales.

Nachhaltigkeit: Den eigenen Tod auf Kamera festzuhalten, ist ein Kunststück, das sonst nur den wagemutigsten Selfie-Jägern an den portugiesischen Steilkünsten gelingt. Da ist eine posthume Ehrerbietung nur fair. Jill Valentine will das Videomaterial nutzen, um die kriminiellen Machenschaften der gUmbrella Corporation zu enthüllen. Blöd nur, dass niemand mehr auf Found Footage mit schlechten CGI-Monstern reinfällt.

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Resident Evil: Apocalypse

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Journalismus im Schwitzkasten: Der Moment der Wahrheit (2015)

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Ein Nachrichtenmagazin erhebt schwere Vorwürfe gegen den US-Präsidenten. George W. Bush soll sich als junger Mann vor einem Kriegseinsatz in Vietnam gedrückt haben. Ausgerechnet der Mann, der reihenweise Väter und Söhne nach Afghanistan und in den Irak entsendet – der amerikanischen Freiheit wegen. Die Geschichte scheint wasserdicht. Doch Der Moment der Wahrheit wird zum Bumerang: Am Pranger stehen nicht Bush und Konsorten, sondern jene Journalisten, die den Skandal an die Öffentlichkeit zerren.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Sony Pictures Classics.

Hierzulande lief er mit einiger Verspätung an, der zweite große Journalistenfilm des Jahres 2015. Sowohl Spotlight als auch Der Moment der Wahrheit (im Original: Truth) wirbelten in den USA medial mächtig Staub auf, beide Filme wurden gefeiert und kontrovers diskutiert. Doch während Tom McCarthys Reporterdrama über die Enthüllungen eines flächendeckenden Kindesmissbrauchs innerhalb der katholischen Kirche bei der Oscarverleihung 2016 abräumte (bester Film, bestes Originaldrehbuch), ging James Vanderbilts Film leer aus. Trotz Staraufgebotes und Cate Blanchett in der Hauptrolle. Nicht eine läppische Nominierung gab es für Der Moment der Wahrheit.

Das erklärt dann wohl den verzögerten und wenig beachteten Starttermin in Deutschland (2. Juni) – ohne Oscar-Buzz ist ein amerikanisches Thema eben nur schwer zu verkaufen. Dabei hätte der Film einen Teil der Aufmerksamkeit, die Spotlight hierzulande erfuhr, verdient gehabt. Schließlich entpuppt sich Der Moment der Wahrheit als ein wichtiger Beitrag im Genre der Journalistenfilme.

Vorsicht: Passagier träumt vom echten Journalismus - Robert Redford, Grandseigneur des Journalistenfilms, spielt den väterlichen Anchorman Dan Rather. Im Hintergrund: Mary Mapes (gespielt von Cate Blanchett).

Vorsicht: Passagier träumt vom echten Journalismus – Robert Redford, Grandseigneur des Journalistenfilms, spielt den väterlichen Anchorman Dan Rather. Im Hintergrund: Mary Mapes (gespielt von Cate Blanchett).

Mehr als die Chronologie einer Recherche

Um den wesentlichen Unterschied zwischen beiden Filmen direkt herauszustellen: Spotlight besitzt den gesellschaftlich relevanteren, emotionaleren Aufhänger. Das Wohl von Kindern steht über das eines ohnehin umstrittenen Präsidenten, der dank seiner Kungel-Politik eine weitere Angriffsfläche bietet. Inhaltlich betrachtet beschäftigt sich Der Moment der Wahrheit allerdings viel eingehender mit der Materie Journalismus als Spotlight. Er geht über die nüchtern inszenierte Chronologie einer Investigativrecherche hinaus.

Obwohl beide Filme zu Beginn der 2000er Jahre spielen, liegen sie gefühlt weit auseinander. Spotlight wirft einen wehmütigen Blick durch die Nostalgiebrille, um uns daran zu erinnern, wozu der Journalismus in der Lage sein kann; daran was möglich ist, wenn man sich auf die journalistischen Basics zurückbesinnt. Ein richtiges und wichtiges, aber auch anachronistisch anmutendes Plädoyer: Spotlight präsentiert uns schließlich die Luxus-Variante des investigativen Journalismus. Der Film zeigt uns Journalisten, die in ihrer ganz eigenen Sphäre leben und arbeiten, nahezu unbehelligt von Sparzwängen, Recherchedruck und öffentlicher Meinung.

Aus dem Schnittraum in die Realität: Durften die Journalisten in Spitlight ganz ungeniert recherchieren, bekommt das Team aus Der Moment der Wahrheit bald den Gegenwind der Öffentlichkeit zu spüren.

Aus dem Schnittraum in die Realität: Durften die Journalisten in Spotlight ganz ungeniert recherchieren, bekommt das Team aus Der Moment der Wahrheit bald den Gegenwind der Öffentlichkeit zu spüren.

Zurück auf den Boden der Tatsachen

Der Moment der Wahrheit holt diese Journalisten auf den Boden der Tatsachen zurück. Der Journalismus ist kein neutraler Beobachter, der sich von äußeren Einflüssen freimachen kann. Er ist Teil eines Systems, in dem heftiges Gerangel um die Deutungshoheit herrscht. Politik und Wirtschaft, Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit – sie alle nehmen den Journalismus in den Schwitzkasten.

Dabei läuft Der Moment der Wahrheit wie ein typischer Journalistenfilm an. James Vanderbilt erzählt die auf echten Begebenheiten beruhende Geschichte der Journalistin Mary Mapes (Cate Blanchett), die im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl 2004 einen Beitrag für das berühmte CBS-Nachrichtenmagazin 60 Minutes produziert: Amtsinhaber George W. Bush und Herausforderer John Kerry liefern sich in den Umfragen ein enges Rennen. Es geht mit harten Bandagen zu. In diesem Personenwahlkampf werden Biographien von der jeweiligen Gegenseite bis ins kleinste Detail ausgeleuchtet – in der Hoffnung, einen Fehltritt auszubuddeln, der den konkurrierenden Kandidaten entscheidend ins Straucheln bringt.

Basierend auf wahren Begebenheit: Der Moment der Wahrheit erzählt die Geschichte der Journalistin Mary Mapes, die im Vorfeld der US-Wahl 2004 einem blinden Fleck in der Biographie des Präsidenten George W. Bush nachgeht.

Basierend auf wahren Begebenheiten: Der Moment der Wahrheit erzählt die Geschichte der Journalistin Mary Mapes, die im Vorfeld der US-Wahl 2004 einem blinden Fleck in der Biographie des Präsidenten George W. Bush nachgeht.

Bush vs. Kerry wird zu Bush vs. Mapes

Während Bush seine aggressive Politik als alternativlos predigt (wir wissen ja: der Irak schickt sich an, die Welt mit Atombomben einzudecken), inszeniert sich der heutige Außenminister im Kabinett Barrack Obamas als Kriegsgegner. Seine Wandlung vom hoch dekorierten Militärmann zum Friedensaktivisten, der noch während des Vietnamkrieges auf amerikanische Gräueltaten in Südostasien aufmerksam macht, ist einerseits PR-Gold. Andererseits liefert sie den konservativen Kräften Munition für eine Schmutzkampagne, die Züge einer amerikanischen Dolchstoßlegende annimmt: Kerry sei der Vater einer Lüge, die alle Vietnamveteranen als mordende, vergewaltigende und brandschatzende Amokläufer verunglimpft.

Angewidert von der konservativen Hetze, beginnt Mary Mapes damit, die Biographie von George Bush zu hinterfragen. Der Präsident war damals um einen Einsatz in Vietnam herumgekommen, weil er sich 1968 der Nationalgarde  verpflichtet hatte (und damit der inneren Sicherheit – Auslandseinsätze von Nationalgardisten gehörten erst während des Irak-Krieges zum Programm, unnötig zu erwähnen, wer hier federführend war…). So weit, so bekannt: Bush war nicht der einzige wohlhabende junge Mann, der von dieser Option Gebrauch machte. Nun aber tauchen Dokumente auf, die belegen sollen, dass George Bush unerlaubt seinem Dienst bei der Nationalgarde fernblieb. Damit würde der Kriegspräsident zum doppelten Drückeberger – Mary Mapes sieht die Gelegenheit, ein Gegengewicht zur diffamierenden Anti-Kerry-Kampagne zu schaffen.

Noch ist alles in bester Journalistenfilm-Ordnung: Der Moment der Wahrheit beginnt ganz genretypisch - mit Recherchen, Recherchen und Recherchen.

Noch ist alles in bester Journalistenfilm-Ordnung: Der Moment der Wahrheit beginnt ganz genretypisch – mit Recherchen, Recherchen und Recherchen.

Nicht ohne meinen Berufspathos…

Zusammen mit ihrem Team macht sie an die Arbeit. Ganz genretypisch sehen wir einer Gruppe von Journalisten dabei zu, wie sie Klinken putzen, Dokumente wälzen, Querverbindungen ziehen und Quellen doppelt prüfen. Angeführt vom legendären 60 Minutes-Moderator Dan Rather, der seine Kollegen mit väterlich-journalistischen Ratschlägen eindeckt. „Wenn man keine Fragen mehr stellt, wird das Volk zum Verlierer“, gibt Rather dem Nachwuchsreporter Mike Smith (Topher Grace) als Weisheit mit auf den Weg. Das ist der Pathos, aus dem Journalistenpornos geschnitzt sind. Da passt es gut ins Bild, dass Rather von Robert Redford gespielt wird. Von jenem Mann, der einst den Watergate-Enthüller Bob Woodward porträtierte, und zwar in jenem Film, an dem sich jeder Beitrag des Journalistenkinos messen lassen muss: Die Unbestechlichen.

In der ersten Hälfte wirkt Der Moment der Wahrheit noch wie eine Ehrerbietung an diesen übergroßen Klassiker. Vanderbilts Film lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass der Journalismus eine wichtige Säule einer demokratischen Gesellschaft darstellt – wenn er denn so funktioniert, wie wir es uns alle wünschen. Ohne Frage, es trieft ganz schön in der Der Moment der Wahrheit. Die Botschaft quillt aus allen Poren des Drehbuchs: Ehrlicher Journalismus lebt von Mut und Idealismus.

Auch hier ist noch alles gut: Dan Rather und Mary Mapes freuen sich gemeinsam mit einem Senderoberen auf den bevorstehenden Scoop.

Auch hier ist noch alles gut: Dan Rather und Mary Mapes freuen sich gemeinsam mit einem Senderoberen auf den bevorstehenden Scoop.

Bilderbuchjournalistin Mary Mapes

Die von Cate Blanchett gespielte Mary Mapes trägt beides im Herzen. Das macht sie zu einer Bilderbuchjournalistin. Jegliches Unrecht ist ihr zuwider: „Menschen, die ihre Macht missbrauchen – diesen Typus kann ich nicht leiden“, macht Mapes in ihrem ersten Gespräch unmissverständlich deutlich. Diese Frau ist meinungsstark. Oder wie man im Macho-Jargon zu pflegen sagt: Mary Mapes hat „ordentlich Haare auf den Zähnen“. Auch das ist Der Moment der Wahrheit: Die Geschichte einer Journalistin, die sich in einer von Männern dominierten Arbeitswelt durchzusetzen weiß.

Die Herren der Schöpfung rutschen unruhig auf ihren Stühlen herum. Ihre Gegenspieler im Film scheinen andere Verhaltensweisen vom weiblichen Geschlecht gewohnt. Sie werfen Mapes vor, sie sei „ultrafeministisch“. Natürlich ist das Quatsch. Ihr Antrieb ist nicht die Konfrontation mit dem Patriarchat, sondern die Wahrheit – dass es die Männer auf diesen Kampf ankommen lassen wollen, das ist deren Bier. Besonders deutlich wird dies in dem schwelenden Konflikt mit ihrem Vater. Dieser mag zwar ein psychologischer Trigger sein, in dem einer der Gründe für die kampfstarke Persönlichkeit der Protagonistin zu finden ist; die richtigen Fragen hat sie allerdings schon immer gestellt. Nicht weil, sondern obwohl Mary Mapes von ihrem Vater verprügelt wurde, wurde sie zur Journalistin. Sie stolpert nicht über die Fallen, die ihr die Männer stellen. Sie lässt sich weder in die Rolle des Opfers noch in die Rolle der Feministin hineindrängen.

Haben wir etwa nicht richtig nachgeforscht? Der Beitrag ist gesendet, da muss sich das Team um Mary Mapes (mit Dennis Quaid alias Oberst Roger Charles) unangenehmen, aber berechtigten Fragen stellen.

Haben wir etwa nicht richtig nachgeforscht? Der Beitrag ist gesendet, da muss sich das Team um Mary Mapes (mit Dennis Quaid alias Oberst Roger Charles) unangenehmen, aber berechtigten Fragen stellen.

Journalisten im Rechtfertigungsmodus

Was nicht heißt, dass Mary Mapes unverwundbar oder unfehlbar wäre. Der nicht erwiderte Respekt ihres Vaters nagt an ihr und auch die Anfeindungen, denen sie sich ausgesetzt sieht, erschüttern ihren Glauben. Und schließlich ist da der Turning Point in der Geschichte: Wo andere Journalistenfilme den Abspann abfahren, kommt Der Moment der Wahrheit erst richtig ins Rollen. Der CBS-Beitrag ist ausgestrahlt, da platzt im Internet die erste Bombe. Blogger bezweifeln die Echtheit des zentralen Dokumentes, auf dem die Recherchen beruhen. Der Redaktion gelingt es nicht, diese Zweifel zu entkräften. Im Gegenteil: Das Papier liegt nicht im Original vor. Die gesamte Indizienkette bricht auseinander. Gutachter knicken ein, Zeugen ziehen ihre Aussagen zurück. Waren die Spotlight-Rechercheure nach ihrer Veröffentlichung gefeierte Printhelden, stehen Mary Mapes und ihr Team nun in der Schusslinie.

Dass Journalisten den öffentlichen Druck zu spüren bekommen, erscheint uns mittlerweile normal, Medien- und Journalistenschelte zu betreiben ist ja geradezu en vogue. Für Journalisten und Journalistinnen wie Mary Mapes ist das zu Beginn der 2000er Jahre eine neue Extremerfahrung. Die Trennlinie zwischen Produzenten und Rezipienten verschimmt immer mehr und mehr. Die, die sich lange als Gate-Keeper von Informationen verstanden, sehen sich nun mit dem Wissen einer Schwarmintelligenz konfrontiert. Allmählich wird ihnen bewusst, dass es immer jemanden geben wird, der mehr weiß als der Journalist selbst. Journalistische Arbeit wird transparent – und damit angreifbar. Das Ego bekommt plötzlich Dellen. Auch deshalb versuchen die 60 Minutes-Redakteure in den ersten Stunden, Blogger als „Wichtigtuer“ abzutun. Wer arbeitet schon gerne im Rechtfertigungsmodus?

Rebell nach Lehrbuch: Topher Grace spielt den jungen, draufgängerischen Journalisten Mike Smith, der im Herzen jedoch den ganz großen Elder Statesmen seiner Zunft nacheifert.

Rebell nach Lehrbuch: Topher Grace spielt den jungen, draufgängerischen Journalisten Mike Smith, der im Herzen jedoch den ganz großen Elder Statesmen seiner Zunft nacheifert.

Fragen stellen dürfen auch die anderen

Tatsächlich stehen Mary Mapes und ihre Kollegen in der Bringschuld. Angesichts der Faktenlage müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen, sie hätten den Fall nicht sauber zu Ende recherchiert. Daran schließen sich eine ganz Reihe von Fragen an: Haben sich die Journalisten von einer persönlichen Antipathie George Bush gegenüber leiten lassen? Besitzt die Geschichte überhaupt genügend Relevanz, um sie zu einem Skandal aufzubauschen? Bush mag zwar der umstrittene Präsident der Vereinigten Staaten sein. Zum fraglichen Zeitpunkt war dieser gerade mal Anfang zwanzig. Kann man es einem jungen Mann verübeln, dass er keine Lust auf einen Krieg auf der anderen Seite der Welt verspürt? Wie sagte Dan Rather nochmal? „Wenn man keine Fragen mehr stellt, wird das Volk zum Verlierer.“ Das Recht auf Fragen ist kein journalistisches Exklusivrecht. Damit müssen Medienschaffende im digitalen Zeitalter leben.

Womit sie nicht leben müssen, sind die zunehmenden Anfeindungen. Man denke etwa an die ZDF-Reporterin Dunja Hayali, die mit Hasskommentaren überhäuft wird und während der Verleihung der Goldenen Kamera 2016 einen bewegenden Einblick in ihr Seelenleben zuließ. Im Film wird Mary Mapes zur Zielscheibe von rechten und frauenfeindlichen Hetzern. Das sind die Schattenseiten einer vermeintlich aufgeklärten Mediengesellschaft. Meinungen werden ungefiltert in den Äther der Sozialen Medien geblasen, und wenn die Sachebene nicht mehr ausreicht, geht es eben unter die Gürtelinie. Das Fatale an der Sache: Wenn die Gemüter erst einmal erhitzt sind, weiß niemand mehr, worum es eigentlich geht. Es kommt nur noch darauf an, wer die meisten Krakeeler auf seine Seite zieht.

Da ist es passiert: Mary Mapes muss sich tribunalartigen Anhörungen stellen. Wegen ihrer Recherchen. Wegen ihrer anti-amerikanischen Gesinnung. Wegen ihres feministischen Ungehorsams. Kurz: Mapes steht am Pranger.

Da ist es passiert: Mary Mapes muss sich tribunalartigen Anhörungen stellen. Wegen ihrer Recherchen. Wegen ihrer anti-amerikanischen Gesinnung. Wegen ihres feministischen Ungehorsams. Kurz: Mapes steht am Pranger.

Der Moment der Wahrheit: Ein Machtfilm

 Andreas Kilb von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung trifft es genau, wenn er schreibt: „Der Moment der Wahrheit ist trotz seines Titels kein Film über Wahrheit. Es ist ein Film über Macht.“ Die aufgeheizte Stimmung macht es den Mächtigen leicht, Mary Mapes ins Kreuzverhör zu nehmen. In tribunalartigen Anhörungen muss sich die Journalistin rechtfertigen. Weniger für ihre Recherche, sondern für ihre vermeintlich anti-amerikanische Gesinnung. Dazu muss man wissen, dass Mapes und Rather die Regierung wenige Monate zuvor mit ihren Berichten zum Folterskandal Abu Ghuraib in Bedrängnis gebracht hatten. Jetzt ist die Gelegenheit günstig, zwei scharfe Kritiker mundtot zu machen.

Der Zuschauer ahnt: Diesen Kampf können die Journalisten nicht mehr gewinnen. Mary Mapes wird nie mehr fürs Fernsehen arbeiten, der verdiente Anchorman Rather wird in den unrühmlichen Ruhestand gedrängt. Bis heute ist nicht geklärt, ob Dokumente gefälscht und Zeugen eingeschüchtert wurden. Der Film legt diese Sichtweise nahe, schließlich basiert er dem Buch Truth and Duty: The Press, the President, and the Privilege of Power, das die echte Mapes im Jahr 2005 veröffentlichte. Die faktische Wahrheit bleibt im Verborgenen. Der titelgebende Moment der Wahrheit kommt an anderer Stelle zum Vorschein – in der Haltung der Mary Mapes.

Hinter den Kulissen ist der Journalismus reichlich unglamourös. Eher spröde. Wie das runzelige Gesicht von Robert Redford. Macht aber nichts: Der Moment der Wahrheit ist ein toller Journalistenfilm!

Hinter den Kulissen ist der Journalismus reichlich unglamourös. Eher spröde. Wie das runzelige Gesicht von Robert Redford. Macht aber nichts: Der Moment der Wahrheit ist ein toller Journalistenfilm!

Kein Film für eine (Oscar-)Party

Von der Öffentlichkeit angefeindet, ihren Vorgesetzten fallen gelassen und den Obrigkeiten schikaniert, lässt sie sich eines nicht nehmen: ihre journalistische Ehre. Das macht Mary Mapes zumindest zur moralischen Siegerin. Da ist er wieder, der Pathos. Und dennoch: Mit diesem Schlussakkord liegt Der Moment der Wahrheit näher an Insider (der ebenfalls eine 60 Minutes-Affäre behandelt) als an Spotlight oder Die Unbestechlichen – und damit näher an einer Ist-Beschreibung des Journalismus: Von vielen für wichtig befunden, von wenigen geliebt, oft zu Recht kritisiert, aber genauso oft unfair angegangen, stimmungstechnisch zwischen Resignation und Trotz gefangen. Verglichen mit Spotlight kommt Der Moment der Wahrheit wie ein fieser Party-Crasher daher.

Der Beitrag Journalismus im Schwitzkasten: Der Moment der Wahrheit (2015) erschien zuerst auf journalistenfilme.de.

Live aus Bagdad (2002): O‘ broadcaster, where are thou?

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Live aus Bagdad Michael Keaton Helena Bonham Carter Journalist

Goood mooorning, Bagdad! Im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris brodelt es gewaltig. Eine Gruppe verwegener CNN-Reporter reist am Vorabend des zweiten Golfkriegs in den Irak, um genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Kein leichter Job. Live aus Bagdad pflügt in 108 Minuten durch die Gefühlswelt des Kriegsberichterstatters.

Kein Krieg kommt ohne Bilder aus. Wen wundert‘s, dass jeder große Konflikt, von dem die Welt etwas hält, einen oder mehrere Kriegsreporterfilme spendiert bekommt? Der zweite Golfkrieg 1990/1991 bietet sich geradezu an: Immerhin ist Operation Desert Storm die erste Militäroffensive, die von den Nachrichtensendern live in die Wohnzimmer übertragen wird. CNN ist unmittelbar dabei, als die ersten Bomben und Leuchtspurgeschosse den Himmel über der irakischen Hauptstadt erleuchten – und wird dadurch endgültig zu einem international beachteten Medium. Wie es dazu kam, davon erzählt Mick Jacksons (Bodyguard, Volcano) TV-Film Live aus Bagdad. Vorlage ist der gleichnamige Tatsachenroman des CNN-Journalisten Robert Wiener.

Die Handlung von Live aus Bagdad setzt im Newsroom des Senders ein. Die CNN-Ältesten haben zur Lagebesprechung gerufen, denn soeben ist der Irak in das benachbarte Kuwait einmarschiert. Unter der Federführung der Vereinigten Staaten formiert sich eine Koalition zur Befreiung des Golfstaates. Ein militärischer Konflikt scheint unausweichlich, dementsprechend herrscht in der Redaktion Aufbruchsstimmung. Der von Ted Turner ins Leben gerufene Sender steht  in dem Ruf, immer dann zur Stelle zu sein, wann immer etwas Weltbewegendes passiert. So war es bei der Challenger-Katastrophe oder beim Fall der Berliner Mauer. So soll es auch sein, wenn am Golf die Hütte brennt. Ein 24-Stunden-Nachrichtenbetrieb (nein N24, billig eingekaufte Dino-Dokus und Endzeit-Reportagen fallen nicht unter den Sammelbegriff Nachrichten) verzehrt sich nach Bildern. Und dann ist da noch dieser irre irakische Diktator, dem man mal – aus journalistischem Ehrgefühl heraus – genauer auf die Finger schauen könnte. Robert Wiener, gespielt von Mr. Journalistenfilm Michael Keaton (Schlagzeilen, Spotlight), meldet sich freiwillig zum Dienst.

Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Was machen wir überhaupt hier? Ingrid Formanek (Helena Bonham Carter) und Robert Wiener (Michael Keaton) beim allabendlichen Sinnieren in der Bar. Ihre Beziehung bleibt platonisch.

Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Was machen wir überhaupt hier? Ingrid Formanek (Helena Bonham Carter) und Robert Wiener (Michael Keaton) beim allabendlichen Sinnieren in der Bar. Ihre Beziehung bleibt platonisch.

Gretchenfragen der Kriegsberichterstattung

Die grundlegenden Fragen stehen bereits nach dieser kurzen Einleitungsszene im Raum: Inwieweit erfüllt Kriegsberichterstattung aufklärerische Funktionen? Bis zu welchem Grad kann sie Einfluss auf den Verlauf eines Konfliktes nehmen? Und wann erfolgt sie aus wirtschaftlich-voyeuristischen Interessen? Man muss kein Medienwissenschaftler sein, um zu erahnen, dass die Grenzen zwischen den einzelnen Motiven fließend sind. Allerdings wissen wir auch, wie Spielfilme funktionieren: Hauptfiguren entwickeln sich. In der Regel zum Positiven. Das niedere Motiv kommt – dieser Logik folgend – an erster Stelle, erst nach und nach gelangen die hehren Absichten in den Blickpunkt. So und nicht anders funktioniert auch Live aus Bagdad.

Noch am Einreiseschalter am Saddam International Airport treffen Robert Wiener und sein Team auf die Konkurrenz. Man grüßt sich, frotzelt, wünscht sich Glück. Wie vor einer bevorstehenden Großwildjagd. Die Journalistenschar ist sich einig: Irgendwas wird man schon vor die Flinte bzw. vor die Kamera bekommen. Doch nur ein Sender wird die begehrteste Trophäe präsentieren können: ein Exklusivinterview mit Saddam Hussein.

Koppweh in Bagdad: Irgendwann schmeckt auch der beste Wodka mit Schweppes nicht mehr. Die anfängliche Abenteuerstimmung nach der Ankunft im Irak schlägt in Ernüchterung um.

Koppweh in Bagdad: Irgendwann schmeckt auch der beste Wodka mit Schweppes nicht mehr. Die anfängliche Abenteuerstimmung nach der Ankunft im Irak schlägt in Ernüchterung um.

Abenteuer im Mittleren Osten

Die ersten Tage im Mittleren Osten bleiben ein Abenteuer. Die kulturellen Unterschiede, die behelfsmäßige Technik in der Bagdader Sendeanstalt – die Bedingungen vor Ort werden weggewitzelt. Hier ein Klamauk unter Kameraden, dort ein raffinierter Einfall. Ist das Journalistenleben nicht schön? Doch schon bald wird aus dem Spiel Ernst. Das irakische Regime setzt amerikanische Staatsangehörige im Land fest. Sie sollen als menschliche Schutzschilde in strategisch wichtige Einrichtungen verlegt werden, sollte die anti-irakische Koalition ihre Drohungen wahrmachen. Was der Irak natürlich umgehend dementiert.

Wiener und sein Team wollen Interviews mit Betroffenen führen, der Welt zeigen, dass das irakische Regime Amerikaner als Geiseln festhält. Ein ranghoher Bewohner der unfreiwilligen WG weist die Journalisten semi-höflich daraufhin, dass dies keine gute Idee sei, weil man mögliche Repressalien fürchte. Durch ein Ablenkungsmanöver gelingt es den Reportern jedoch, den Amerikaner Bob Vinton vor die Kamera zu bekommen.

Interview mit Saddam - können diese Augen Lügen? CNN spielt ausnahmsweise die zweite Geige. Nach einem unliebsamen Bericht cancelt der Diktator den Termin. Das erste Interview bekommt CBS.

Interview mit Saddam – können diese Augen Lügen? CNN spielt ausnahmsweise die zweite Geige. Nach einem unliebsamen Bericht cancelt der Diktator den Termin. Das erste Interview bekommt CBS.

Verantwortung, quo vadis?

Kaum ist der Bericht ausgestrahlt, verschwindet Vinton spurlos.  Saddam cancelt das zuvor in Aussicht gestellte Interview – und steht stattdessen Dan Rather (siehe auch Der Moment der Wahrheit) und dem Konkurrenzsender CBS Rede und Antwort. Die Stimmung im Team ist dahin. Die ersten wollen wieder nach Hause. Wiener kommen Zweifel an seiner eigenen Tugendhaftigkeit. Ursprünglich wollte er der Welt nur die Wahrheit auftischen. Oder etwa nicht? Wiener muss sich eingestehen, dass ihn die Aussicht auf Ruhm blind gemacht hat für das Schicksal seiner Gesprächspartner. Er hat den Schutz seines Informanten vernachlässigt. Verantwortung, quo vadis? Die Gretchenfrage in jedem Kriegsreporterfilm.

Wiener macht, was ein Journalist nach einem Fehlschlag am liebsten tut – sich zurück in die Arbeit stürzen. Um die Scharte auszuwetzen. Über einen Kontaktmann erfährt er von einem ungeheuerlichen Vorfall in Kuwait. Irakische Soldaten sollen in mehreren kuwaitischen Krankenhäusern Neugeborene aus ihren Brutkästen gerissen und zum Sterben auf dem Boden zurückgelassen haben. Wenn das nicht das Unrecht ist, auf das es aufmerksam zu machen gilt. Die Sache hat nur zwei Haken:

  1. Dieser Vorfall ist erwiesenermaßen von der amerikanischen PR-Agentur Hill & Knowlton lanciert worden; im Auftrag der kuwaitischen Regierung, um die Weltöffentlichkeit von der Notwendigkeit einer Militärintervention zu überzeugen. Diese Propagandageschichte wurde als Brutkastenlüge entlarvt.
  2. Zum Zeitpunkt der Entstehung von Live aus Bagdad war längst bekannt, dass es sich bei diesem Vorfall um eine Lüge handelte. Der Film erwähnt dies mit keiner Silbe, die Ereignisse werden in diesem dokumentarisch anmutenden Reporterstück als reale Begebenheiten präsentiert. Keine Texttafeln, die die Geschichte geraderücken. Ein Fauxpas? Gezielte Stimmungsmache (9/11 ist noch frisch, der nächste Golfkrieg zeichnet sich ab)? Oder ein bewusster Kniff, um auf die Problematik gezielter Medienmanipulation hinzuweisen, wie die Macher im Nachgang betonten? Das ZDF tappte bei der Erstausstrahlung in die Glaubwürdigkeitsfalle: Die  Forschungsgruppe Informationsgesellschaft und Sicherheitspolitik warf dem „Zwoten“ vor, die Brutkastenlüge zu erneuern. Daraufhin veröffentlichte der Sender eilig einen Begleittext im Internet. Die Medienwissenschaftlerin Elvi Claßen sieht in dem Verhalten des ZDF „die Kolportage der gezielten Falschmeldung als Symptom für das beständige Unvermögen der Massenmedien mit Kriegspropaganda umzugehen.“
Mad Journalist aus...ja, aus was? Leidenschaft? Größenwahn? Peter Arnett (Bruce McGill) kommentiert sich in Rage. Die meisten sind da schon in den Schutzräumen. Sind diese Bilder es wert?

Mad Journalist aus…ja, aus was? Leidenschaft? Größenwahn? Peter Arnett (Bruce McGill) kommentiert sich in Rage. Die meisten sind da schon in den Schutzräumen. Am Ende bleibt die Frage; Sind diese Bilder es wert?

Live aus Bagdad: Die Ouvertüre eines Krieges

Was immer der Grund für diese historische Auslassung ist – sie hinterlässt einen fahlen Beigeschmack. Ansonsten ist Live aus Bagdad ein – dank MTV-Schnitt und flottem Erzähltempo – kurzweiliger Reisebericht, der seine Figuren durch ein Wechselbad der Gefühle schickt. Er zeigt uns Reporter, die in einer Ausnahmesituation einen gesunden Mittelweg zwischen eingebettetem Journalismus und journalistischem Draufgängertum zu finden versuchen. Klar, derart unter Druck  schlagen Journalisten gerne über die Stränge. Die Gelage in der örtlichen Bar sind obligatorisch. Robert Wieners chaotische, aber kongeniale Kollegin Ingrid Formanek (Helena Bonham Carter) setzt noch einen drauf und deckt sich im Duty Free Shop mit einer Einkaufswagenladung Wodka ein.

Höhepunkt ist der Auftritt von Reporter-Legende Peter Arnett (gespielt von Bruce McGill), der sich hoch über den Dächern Bagdads in einen Rausch kommentiert. Elektrisiert von der Ouvertüre des Golfkrieges mutiert Arnett zu einem Mad Journalist, während alle um ihn herum in die Schutzräume fliehen. Es ist ein medialer Ritt der Walküren, ähnlich surreal wie die legendäre Strand-Szene in Apocalypse Now, in der Sergeant Kilgore seinen GIs vor der Kulisse eines Luftangriffs das Surfen befiehlt. Man möchte Arnett beinahe ein anerkennendes „Du Teufelskerl“ zuraunen. Aber dann wird einem klar, das hinter diesem Größenwahn, dieser Hybris der Unbesiegbarkeit auch ein gehöriges Maß an Dummheit steckt. Diese Bilder sind es nicht wert, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Sehen wollen wir sie aber irgendwie doch.

Weiterführende Links:

Live aus Bagdad im Journalism in Pop Culture Podcast (englisch).


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Live aus Bagdad

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Cheap Shot gegen Tricky Dick: Frost/Nixon (2009)

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Vom playboyhaften Talkmaster zum verdienten Journalisten: Ende der 1970er Jahre knöpft sich die britische Fernsehberühmtheit David Frost den ehemaligen US-Präsidenten Richard Nixon vor. Alle Welt erwartet ein ungleiches Duell, das der Politgauner für sich entscheiden wird. Der Spitzname Tricky Dick kommt schließlich nicht von ungefähr: Nixon hatte in seiner Amtszeit (1969 bis 1974) systematisch die Prinzipien der Demokratie ausgehöhlt, um seine Machtfülle zu erhalten. Doch Frost gelingt, worauf die Nation lange gewartet hat – er entlockt Nixon ein Schuldeingeständnis vor laufender Kamera. Der Verbal-Thriller Frost/Nixon feiert die Geburt einer Interviewlegende. Der Kater kommt bei der Recherche danach.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Universal Studios.

Gefürchteter Interviewer, weltberühmter Journalist und Journalisten-Legende: Als David Frost 2014 74-jährig an einem Herzinfarkt verstarb, verneigte sich eine Branche. Längst hatte sie ihn zu einem der ihren erklärt. Mitverantwortlich ist dieses eine Interview. Es ist zwar unfair, Frost journalistisches Schaffen auf diesen einen TV-Moment zu reduzieren. Fakt ist: Die mehrstündige Frage- und Antwortrunde mit Ex-Präsident Richard Nixon verhalf dem jungen Briten nicht nur zu Weltruhm, er begründete dessen Ruf als Journalisten. Zuvor ging er allerhöchstens als journalistisches Leichtgewicht durch. Er war ein Fernsehschalk, der sich mit politischen Satiresendungen einen Namen gemacht hatte.

Frost/Nixon setzt in einer für den Fernsehstar kritischen Phase ein. Seine Karriere ist 1974 ins Schlingern geraten, seine vergangenen Sendungen wurden zuletzt immer häufiger und frühzeitiger abgesetzt. Während er sich auf eine Show vorbereitet, verfolgt er im Fernsehen den Rücktritt Nixons, der damit einem Amtsenthebungsverfahren zuvorkommt.  Der Watergate-Skandal offenbarte einen Präsidenten, der seine Regierungsvollmachten missbraucht und das amerikanische Volk getäuscht hatte. Nixon ist schuldig. Und dennoch bringt dieser Mann die Chuzpe auf, in der für ihn markanten Victory-Pose abzutreten. Brite Frost fasst die fixe Idee, den meist gehassten Amerikaner seiner Zeit zu interviewen. Allerdings weniger aus einem journalistischen Interesse heraus. Frost geht es darum, seine Popularität in den Vereinigten Staaten anzuheizen.

"Sind Sie nicht dieser Typ aus dem Fernsehen?" Playboy David Frost (Michael Sheen) klopft am Mile High Club an.

„Sind Sie nicht dieser Typ aus dem Fernsehen?“ Playboy David Frost (Michael Sheen) klopft an der Pforte des Mile High Club an.

Vom Publicity-Gag zur TV-Sternstunde

Millionen Menschen an den Fernsehgeräten verfolgen den Rücktritt des Präsidenten live. Mit einem Exklusivinterview, glaubt David Frost, ließe sich bestimmt Kasse machen. Doch die Sendervorantwortlichen, bei denen der Moderator vorstellig wird, lehnen ab: Warum sollte es einem Briten zustehen, das ehemalige US-Oberhaupt zu interviewen? Und: Weshalb sollte ein Sender interessiert sein, die Wahnsinnsgage von 600.000 Dollar zu aufzubringen? Nur damit sich der rhetorisch beschlagene Nixon wie ein Aal durch den Wust von Anschuldigungen winden kann? Und am Ende womöglich rehabilitiert dasteht? Genau das hat Richard Nixon im Sinn, als er dem Interview nach mehrfacher Anfrage im späten Jahr 1976 zustimmt.

Aus dem Publicity-Gag wird Ernst: Frost stemmt die Produktion aus eigener Tasche und wirbt händeringend um die Unterstützung von Sponsoren. Selbst als das Interview unmittelbar bevorsteht, wendet Frost seine gesamte Energie auf, um das finanzielle Risiko zu minimieren, anstatt sich auf die Vorbereitung des Gesprächs zu konzentrieren. Die Vorbehalte gegen Frosts Scheckbuchjournalismus scheinen sich zu bewahrheiten. In den ersten von insgesamt vier Aufnahmesitzungen führt Nixon, ganz Elder Statesman, seinen Gastgeber vor. Erst als Frost registriert, dass er nicht nur sein eigenes Renommee aufs Spiel setzt, sondern im Begriff ist, die Reputation seines hart arbeitenden Produktionsteams zu beschädigen, nimmt er die Rolle des knallharten Interviewers an. Der Rest ist Geschichte. Mehr oder weniger.

Der Talker und seine Entrourage: David Forst bleibt seinen idealistisch veranlagten Beratern lange Rechenschaft schuldig.

Der Talker und seine Entrourage: David Frost bleibt seinen idealistisch veranlagten Beratern lange Rechenschaft schuldig.

Frost/Nixon verzerrt die Realität

Frost/Nixon erweckt einen authentischen Eindruck.  Das Set, der Aufbau des Interviews, einzelne Kameraeinstellung – das ganze Drumherum, es wirkt, als wäre es den Originalaufnahmen entsprungen. Eingestreute Interviewszenen, in denen die Figuren die Ereignisse reflektieren, verleihen dem Film einen dokumentarischen Anstrich. Dabei ist Frost/Nixon in vielen Belangen ein Blendwerk. Die historische Akkuratesse wird zugunsten der Dramaturgie geopfert. Der Film erlaubt sich zahlreiche Freiheiten. Er weicht von der Chronologie des echten Interviews ab, viele Dialoge haben in dieser Form nicht stattgefunden oder wurden aus anderen Interviews Nixons übernommen, die psychologischen Scharmützel zwischen den Protagonisten sind frei erfunden.

An dieser Praxis ist an sich nichts Verwerfliches. Spielfilme sind in der Regel dazu da, um ihr Publikum zu unterhalten. Selbst die „härtesten“ Journalistenfilme, die journalistische Funktionen für sich beanspruchen, weil sie sich auf die Suche nach der Wahrheit begeben bzw. weil sie bemüht sind, die Suche nach dieser Wahrheit möglichst wahrheitsgetreu nachzuerzählen, arbeiten mit Verdichtungen, Auslassungen und anderen künstlerischen Freiheiten. Man denke etwa an Dustin Hoffmans Vorzimmer-Tricksereien in Die Unbestechlichen, die es nur deshalb ins Skript schafften, weil der echte Watergate-Enthüller Carl Bernstein seiner Figur eine Extra-Portion Schneid verpassen wollte. „Beruhend auf wahren Begebenheiten“ heißt eben nicht „der Realität entsprechend“. Es ist ein dehnbares Label. Als Politdrama, das auf realen Ereignissen fußt, zieht sich Frost/Nixon eine  Zerrung zu.

Mr. Präsident sind Sie ein Betrüger?

„Mr. President sind Sie ein Betrüger?“

Kein richtiges Schuldeingeständnis

Das macht Frost/Nixon keineswegs zu einem schlechten Film. Ganz im Gegenteil: Frost/Nixon ist ein packend erzähltes Duell zweier Egos – hervorragend gespielt von Michael Sheen (als Premierminister Tony Blair in The Queen und Trainerlegende Brian Clough in The Damn United mit Faible für historische Figuren) und Frank Langella (Skeletor in Master of the Universe!). Wie in Michael Manns Heat. Nur ohne Action. Dafür mit jeder Menge verbaler und non-verbaler Kommunikation. Doch gerade weil der Film eine ungeheure Sogwirkung entfaltet, ist die Ernüchterung umso größer, wenn man sich des Ausmaßes der Übertreibung bewusst wird.

Nicht nur, dass sich der Film künstlerische Freiheiten erlaubt. Er überhöht das gesamte Ereignis. Das eigentlich Spektakuläre an dem Interview sei weniger Nixons Schuldeingeständnis gewesen, sondern vielmehr die Tatsache, dass der ehemalige Präsident sein dreijähriges Schweigen brach, hält der Historiker Christoph Classen fest. Zumal es sich nur um ein partielles Schuldeingeständnis handelte.

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„Scheißt der Papst in den Wald?“ (Dialog sinngemäß)

Das Spiel mit der Macht der Bilder

Wer das Material von damals betrachtet, stellt fest: Nixon bekennt sich zu keinen konkreten Straftaten. Er spricht lediglich davon, sein Land enttäuscht zu haben; davon, es zu bereuen, die Gelegenheit vergeudet zu haben, die von ihm angestoßenen Projekte und Programme für weitere zweieinhalb Jahre mitzugestalten. Der echte Nixon sieht während dieser Beichte weitaus weniger konsterniert aus als sein filmisches Pendant. Der Verdacht liegt nahe, dass David Frost dieses Eingeständnis gar nicht so sehr entlocken musste. Ein Rhetorik-Ass wie Richard Nixon wird sich eine Antwort auf diese Frage zurechtgelegt haben, alles andere ist jedenfalls nur schwer vorstellbar. Der Sieg des Underdogs erscheint auf einmal ungleich kleiner.

Frist/Nixon ist ein schizophrenes Seherlebnis, weil es uns vor Augen halten will, wie die Macht der Bilder funktioniert, diese Macht aber gleichzeitig für seine Zwecke ausnutzt. Wir sehen zwei Protagonisten dabei zu, die wissen, dass eine einzelne Kameraeinstellung über den Ausgang dieses Rededuell entscheiden kann. Nixon, der sich vertraglich zusichern lässt, dass ihm die schwitzige Oberlippe regelmäßig trocken getupft wird, verliert, weil die Fassade in einem kurzen Moment bröckelt. Der Böse ist entlarvt. Das Publikum feiert. Mission accomplished. Dass bei der Erfüllung dieser Mission einiges unterschlagen und dazu gedichtet wird – geschenkt. Tatsächlich war das Interview für beide ein Gewinn. Indem er halbherzig zu Kreuze kroch, stellte Nixon zumindest einen Teil seiner Ehre wieder her. Von dem fürstlichen Honorar, das er für diesen Auftritt einstrich, ganz zu schweigen. David Frost ebnete dieser TV-Moment bekanntlich den Weg nach ganz oben. Er interviewte im Laufe weiteren Karriere alle britischen Premierminister seit 1964, alle US-Präsidenten seit 1969 und zahlreiche Prominente aus aller Welt. Das schafft man allerdings nicht aufgrund eines einzelnen Interviews. Wenn es so etwas wie eine journalistische Punchline gibt, dann die hier: Journalisten, bereitet eure Interviews gut vor.

Weiterführende Links:


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Frost/Nixon – Das Original-Interview zur Watergate-Affäre

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Fünf Learnings über den Musikjournalismus: Almost Famous (2000)

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Politskandale, ungelöste Mordfälle und Verbrechen gegen die Menschlichkeit – das ist der Stoff, aus dem die meisten Journalistenfilme gemacht sind. Hauptsache investigativ. Aber was ist mit den Kollegen aus dem Kulturressort? Für die gibt es Almost Famous. Der im doppelten Sinne romantische Film ist eine Liebeserklärung an den Musikjournalismus. Ein Märchen, in dem jede Menge Weisheiten stecken. Hier sind fünf davon.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Columbia Pictures.

Teenager William Miller (Patrick Fugit) lebt den feuchten Traum eines angehenden Musikjournalisten. Gerade mal ein paar Zeilen für ein Underground-Magazine auf dem Kerbholz, darf der 15-Jährige die aufstrebende Band Stillwater auf Tour begleiten – im Auftrag des legendären Rolling Stone. Klingt märchenhaft, trägt aber einen autobiographischen Kern: Regisseur Cameron Crowe ließ in Almost Famous seine Erfahrungen als Nachwuchsjournalist einfließen. Als 16-Jähriger ging er 1973 mit den Allman Brothers auf Tuchfühlung – das Ergebnis war eine Titelstory im Rolling Stone. Die Originalgeschichte könnt ihr hier nachlesen.

Wer nun jede Menge Eskapaden und demolierte Hotelzimmer erwartet: Almost Famous ist „nur“ Sex, Drugs and Rock ‘n‘ Roll light. Die softe FSK 12- Variante eines feuchten Traums, sozusagen. Aber gerade diese Unschuld macht Almost Famous zu einem wahnsinnig sympathischen Film. Wer ihn noch nicht gesehen hat, sollte ihn nachholen. Für alle anderen gibt es fünf Learnings über den Musikjournalismus.

"Du kommst hier net rein!" Für William Miller ist das Abenteuer Musikjournalismus beinahe schon an der Hintertür zu Ende.

„Du kommst hier net rein!“ Für William Miller (Patrick Fugit) ist das Abenteuer Musikjournalismus beinahe schon an der Hintertür zu Ende.

Die Gästeliste hat ihre eigenen Gesetze

1. Ob Du auf der Gästeliste stehst, entscheidet sich an der Tür: Das erste Mal auf einer Gästeliste zu stehen, ist ein geiles Gefühl. Als hätte man soeben den Aufnahmeritus in einen mega-elitären Zirkel bestanden. Aber aufgepasst: Nur weil Dir irgendein Tour-Manager versichert, dass Du auf einer Gästeliste stehst, heißt nicht, dass es dein Name tatsächlich auf diese Liste schafft. Es ist wie bei einer Runde Stille Post – auf dem Weg geht einiges verloren. Dann kannst Du noch so pünktlich eintreffen, mit deinem Notizblock voller wohl überlegter und origineller Fragen, die Du angesichts des spärlich bemessenen Interview-Slots ohnehin nicht hättest stellen können. Der ominöse Tour-Manager ist nicht zu erreichen. Die bärtigen Roadies zucken mit ihren haarigen Achseln. Die Tür bleibt zu.

Da der Film zu diesem frühen Zeitpunkt –William Miller erhält vom legendären Rockjournalisten Lester Bangs (gespielt von Philip Seymour Hoffman) den Auftrag, backstage von einem Black Sabbath-Gig zu berichten – ja irgendwie weitergehen muss, hilft das Drehbuch nach: Während Du zähneknirschend an die Abendkasse schleichst, um das Konzert aus dem Zuschauerraum heraus zu verfolgen, findet Teenager William dank Groupie Penny Lane (Kate Hudson) doch noch Einlass.

"Ich kann Dir nicht viel bezahlen." Rock 'n' Roll-Reporterlegende Lester Bangs (Philip Seymour Hoffman) bereitet den Nachwuchs auf die harten Seiten des Musikjournalismus vor!

„Ich kann Dir nicht viel bezahlen.“ Rock ’n‘ Roll-Reporterlegende Lester Bangs (Philip Seymour Hoffman) bereitet den Nachwuchs auf die harten Seiten des Musikjournalismus vor!

30 Dollar für ein Stelldichein mit Ozzy

2. Mit Musikjournalismus wirst Du nicht reich: Zumindest nicht in deinen Anfangstagen. Wobei … das ist ja in vielen Berufen so. Wenn aber Heerscharen von Nachwuchsschreibern mit derselben Hoffnung aufschlagen, Hobby und Beruf miteinander zu verbinden, dann gehen die Kurse in den Keller. Angebot und Nachfrage eben. Lester Bangs warnt William, er könne ihm nicht viel bezahlen – und lässt für den Black Sabbath-Bericht 30 Dollar springen. Immerhin. Für einen 15-Jährigen in den 1970er Jahren ist das ein gutes Zubrot.

In Realität dürfen sich Frischlinge gerne mal mit Rezensionsexemplaren zufrieden geben. Damit kannst Du deine Plattensammlung schmücken. Oder Du verscherbelst sie, so lange noch irgendjemand bereit ist, mehr als drei Euro fuffzig in einem großen Internetaktionshaus zu berappen. Wenn es überhaupt noch physische Rezensionsexemplare gibt. Im digitalen Zeitalter zu leben, heißt auch, digital bemustert zu werden. Dafür tust Du etwas, woran Du Spaß hast. Und wer weiß: Wenn Du gut bist, eine Nische und integre Auftraggeber findest, dann klappt es auch mit der anständigen Bezahlung im Musikjournalismus.

Smells like geek spirit: In der Redaktion des Rolling Stone kommt Mark Kozelek (Rainn Wilson) der Geifer. Klein-William fabuliert fabulös über sein tiefes Stillwater-Porträt.

Smells like geek spirit: In der Redaktion des Rolling Stone kommt Mark Kozelek (Rainn Wilson) der Geifer. Klein-William am Telefon fabuliert fabulös über sein tiefes Stillwater-Porträt.

Über Umwege zum Puhdys Kern?

3. Mach dich bereit, es mit Schaumschlägern aufzunehmen – und sieh‘ zu, dass Du selber keiner wirst: Stell‘ Dir vor, der Rolling Stone ruft an. Dann bist Du als Nachwuchsjournalist natürlich eingeschüchtert. Dabei kochen alle nur mit Wasser. Lester Bangs empfiehlt William Miller, möglichst vage, aber bedeutungsschwanger daher zu parlieren. Die Redaktion hängt am Haken. Eigenmarketing ist eben alles. Daher: Trainier‘ dir ruhig einen verqueren Duktus an, der deinem ungemeinen Wissen über Musik in gewissen Situationen Nachdruck verleiht. Aber werde nicht zur Geisel deiner gestochenen Ausdrucksweise.

Vielleicht liegt es an einem publizistischen Minderwertigkeitskomplex, dass journalistische Texte über Musik oft bemüht sind, eine intellektuelle Fassade aufrecht zu erhalten. Nachrichten sind faktenbasiert. Melodien hingegen flüchtig, Sinneseindrücke schwer zu vergegenständlichen. Also wird aus der Not der Verlegenheit eine Tugend gemacht. Wieso auf den Punkt kommen, wenn man durch verkopfte Interpretationen und einschüchternde Satzkonstruktionen brillieren kann? Das Problem: Style over substance geht auf Dauer nicht gut.

Sex, Drugs and Rock 'n' Roll light. William Miller lebt die Softcore-Variante eines feuchten Traumes. Exzesse und Eskapaden sind in Almost Famous harmloser Natur. Aber gerade diese Unschuld macht den Film so sympathisch.

Sex, Drugs and Rock ’n‘ Roll light. William Miller lebt die Softcore-Variante eines feuchten Traumes. Exzesse und Eskapaden sind in Almost Famous harmlos. Aber gerade diese Unschuld macht den Film so sympathisch.

Der Journalist, dein Freund und Feind

Lass‘ dich nicht von der Kumpanei im Business blenden: Die Warnung von Lester Bangs an William Miller ist unmissverständlich: Bleib‘ in deiner Kritik ehrlich und gnadenlos. Aufstrebende Musiker geben aufstrebenden Journalisten gerne das Gefühl, dazu zu gehören. Hier ein Plausch in lockerer Atmosphäre, dort ein Bierchen unter Freunden. Doch die Zwanglosigkeit ist nur vorgeschoben. Der Journalist hat seinen Job zu machen. So, dass es den Künstlern zum Vorteil gereicht, versteht sich. Stillwater lassen William Miller gewähren, weil sie hoffen, auf dem Cover des Rolling Stone zu landen. Alles ist cool, so lange die Backstage-Story am Ende dem gewünschten Image entspricht.

Einen Verriss nehmen die Musiker anfangs noch billigend in Kauf. Nach dem Motto: Auch schlechte PR ist gute PR. Was zählt, ist das Bandfoto auf der Titelseite. Als den Musikern jedoch schwarnt, dass Williams Bericht womöglich ein allzu chaotisches Bild zeichnen könnten, gehen sie auf Distanz. Allen voran Gitarrist Russell Hammond (Billy Crudup): Ausgerechnet der heimliche Frontmann, der William als eine Art großer Tour-Bruder unter seine Fittiche nimmt und ihn obendrein dazu ermutigt, nichts als die Wahrheit niederzuschreiben, begeht den größten Verrat. Als die Rolling Stone-Redaktion die Fakten in Williams Artikel gegencheckt, dementiert Hammond den gesamten Bericht.

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Später Einsicht: Russell Hammond (Billy Crudup), Gitarrist von Stillwater, stellt fest, dass es mehr als nur Glanz und Gloria gibt. Nämlich aufrichtige und geradelinige Freundschaft.

Musikjournalismus: Fast berühmt ist auch ok

Egal, was passiert – bleib‘ ein Mensch: Ja, das Geschäft ist berechnend und gemein. William fällt nach dem Stillwater-Dementi aus allen Wolken. Aber das ist nicht die Punchline von Almost Famous. Schließlich gibt es die späte Einsicht und  ein versöhnliches Happy End: Am Ende nimmt sich Russell Zeit für das Interview, das er während der Tour hätte führen sollen – wäre er nicht so sehr mit seinen eigenen Eitelkeiten beschäftigt gewesen.

Insofern muss man Lester Bangs Credo – bleib‘ in deiner Kritik ehrlich und gnadenlos – wieder ein Stück weit einkassieren. Ehrlichkeit währt zwar noch immer am längsten. Gnadenlos zu sein, heißt jedoch, sich nicht um die Folgen seiner Zeilen zu scheren. Über Musikgeschmack lässt sich trefflich streiten, sagt man. Dabei solltest Du nicht vergessen: Hinter jedem Song steht ein Mensch, der sein Innerstes nach außen kehrt. Kein Grund, den Prügel der Selbstgefälligkeit auszupacken: Es gibt wichtigeres als Glanz und Gloria. Fast berühmt ist auch ok.

Der Beitrag Fünf Learnings über den Musikjournalismus: Almost Famous (2000) erschien zuerst auf journalistenfilme.de.

Haltet die Presse an: journalistenfilme.de feiert Geburtstag!

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Extrablatt! Extrablatt: journalistenfilme.de feiert Geburtstag! Seit einem Jahr geht dieser Blog nun beharrlich der wichtigen Frage nach: Wie werden Journalisten im Film dargestellt? Aus einer flüchtigen Aufmerksamkeit für Journalistenfiguren ist eine Leidenschaft geworden. Zur Feier des Tages blicken wir zurück auf das, was war. Und schauen voraus auf das, was kommt. Darauf ein Prosit!

Ein Jahr journalistenfilme.de – das sind 384.889 Anschläge auf der Tastatur, verteilt auf 54.389 Wörter. In einem Word-Dokument hintereinander kopiert macht das 163 geschlagene Seiten. Und damit 22 Seiten mehr als in meiner Magisterarbeit.  Wahnsinn. Insgesamt hat es für 40 Blogbeiträge gereicht: Für 26 Filmbesprechungen, sieben Newsartikel (inklusive Presse-Polka), drei Folgen der Comic-Journalisten-Revue journalistic relief, zwei Serienbesprechungen, ein Making Of, eine Vorher-Nachher-Schau und ein Gewinnspiel. Das ist eine Menge Holz vor der Bloghütte. Ob ich mit diesem Output zufrieden bin? Teils, teils. Einerseits sind 1,3 Artikel pro Woche kein schlechtes Pensum. Andererseits hätte ich gerne die eine oder andere Besprechung mehr veröffentlicht. Geschweige denn geschrieben. Gerade die vergangenen drei Monate haben mir den Schnitt verhagelt. Zufälligerweise sind das die drei Monate, die ich in meinem neuen Job verbracht habe. Nichts gegen meinen neuen Job. Ich zeige nur die Parallelen auf.

Faer And Loathing In Las Vegas Dinosaurs

Feierei, Alder! Bild: Universal Pictures

Fakten, Fakten, Fakten

Aber zurück zu den harten Fakten. Im September durfte ich den 10.000 Unique User begrüßen. Keine schwindelerregende Zahl, aber ein schöner Meilenstein, so kurz vorm Einjährigen. Journalistenfilme.de ist ein Nischenprojekt, das sich vorrangig an deutschsprachige Journalisten mit Vorliebe für Filme und/oder einem Interesse an der Darstellung der eigenen Zunft richtet. Clickbait riecht anders. Da bin ich froh, dass 9.130 Leser tatsächlich aus Deutschland kommen. Heißt, mir ist es gelungen, meine Statistik weitgehend frei von russischen Bots zu halten. Aus dem größten Staat der Erde wurden gerade mal 157 Zugriffe registriert. Wahrscheinlich konnte ich die über die Google Bildersuche ködern. So wie die meisten der 309 Briten, die damit die zweitgrößte Lesergruppe ausmachen. Aus den kleinen DACH-Staaten Österreich und Schweiz schafften es 389 (mehr oder weniger) Interessierte auf den Blog. Schlusslicht ist Uganda mit nur einem Leser – Grüße an dieser Stelle.

Wie nischig das Programm von journalistenfilme.de ist, wird beim Blick auf die drei erfolgreichsten Artikel des Premierenjahres deutlich. Keiner davon behandelt einen Journalistenfilm im eigentlichen Sinne. Platz eins geht an „Karla Kolumna, die rasend machende Reporterin“. Der Bericht schlug hohe Wellen in den Sozialen Medien. Kein Wunder: Schließlich ist es mir gelungen, eine Zeichentrickfigur mit Vorbildfunktion als Hofberichterstatterin eines sprechenden Elefanten zu entlarven. Wie arg es um mein pädagogisches Urteilsvermögen bestellt ist, hatte ich nur wenige Wochen zuvor entblößt: „Eltern und Lehrer mögen an dieser Stelle die Hände über den Kopf zusammenschlagen: Aber tatsächlich kommt in einer Cartoon-Serie über Schwerter und Nunchakus schwingende Schildkröten eine Figur vor, die das Zeug zu einem Vorbild hat“, schrieb ich in meiner Liebeserklärung an April O’Neil. Die Reporterin in dem kanariengelben Jumpsuit aus Teenage Mutant Hero Turtles holt Silber. Platz drei belegt mein Rundumschlag gegen die unfähigen Journalisten aus der Netflix-Serie House of Cards.

Anchorman Journalismus

Und alle so: Yay!!!1! Bild: DreamWorks.

Am Thema vorbei – setzen, sechs?

Erst auf dem vierten Rang der reichweitenstärksten Artikel folgt eine Filmbesprechung. Welcher das ist, liegt auf der Hand: Es handelt sich um Die Unbestechlichen – die Mutter aller Journalistenfilme. Ganz hinten an kraucht die Zombieflüsterin Terri Morales aus Resident Evil: Apocalypse. Ein Film, an den ich nie gedacht habe, als ich die Akte Journalistenfilme eröffnete. Die Leser anscheinend auch nicht – wer diesem Beitrag ein wenig Extrafürsorge zukommen lassen möchtet, bitte hier entlang. Terri freut sich bestimmt.

Mache ich mir jetzt Sorgen, weil die drei beliebtesten Artikel das eigentliche Thema nur streifen? Ganz im Gegenteil: Alle drei Beiträge wurden in den 5-vor-9-Links vom BILDblog vorgestellt. Was mich freut, da ich durch diese kleinen Features neue, treue Leser gewonnen habe. Der BILDblog war im ersten Jahr der größte Traffic-Lieferant. Die restlichen Dreiviertel teilen sich Referrals, Links in den Social Media, Direktaufrufe und organische Suchen ausgewogen untereinander auf.

Ihr seht, ich bin rundum zufrieden mit der bisherigen Entwicklung von journalistenfilme.de. Ich habe über den Blog neue Kontakte geschlossen und werde immer öfter auf mein Herzensprojekt angesprochen. Besonders spannend fand ich es, als alter Fragensteller die Seiten zu wechseln und selbst mal in einem Interview Rede und Antwort zu stehen. Das Ergebnis ist ein toller Bericht von Hendrik Steinkuhl in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Selbst in den Vorstellungsgesprächen, die ich in diesem Jahr geführt habe, wurden die Journalistenfilme zum Thema. Es lohnt sich, ein paar Google-Suchergebnisse im Köcher zu haben, die das eigene Bild im Netz geraderücken. Nicht, dass ich auf meinen fünften Platz beim Sauerkrautwettessen nicht stolz wäre…

Hitler Tagebücher Schtonk Götz Goerge Medienskandal

Auch ein Triumph des Williés: Der erste Geburtstag von journalistenfilme.de! Bild: EuroVideo Medien GmbH

journalistenfilme.de wird größenwahnsinnig

Ganz abgesehen davon, dass mir die ganze Chose hier ordentlich Spaß bereitet. Das erste Jahr ist geschafft. Und wie geht’s jetzt weiter? Ideen gibt es zu Hauf. Nur die Umsetzung ist immer so eine Sache. Zwei Ziele habe ich mir aber gesteckt – ein kurzfristiges und ein langfristiges:

  1. Die Zahlen aus dem ersten Jahr sollen getoppt werden. Dafür möchte ich meinen Blog nach außen hin öffnen. Mehr Marketing betrieben. Das klingt jetzt verdammt nach einem Sell-Out. Meint aber Kooperationen mit anderen Bloggern, Interviews, vielleicht einen Podcast – um von meiner Insel etwas herunterzukommen, die geknüpften Kontakte zu intensivieren und – ja – den Blog bekannter zu machen.
  2. Wer mich persönlich kennt, weiß: ich lehne mich nur ungern aus dem Fenster. Aber ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass journalistenfilme.de in seiner Ausrichtung im deutschsprachigen Raum einzigartig ist. Daher habe es ich mir zum Ziel gesetzt,  journalistenfilme.de zum ultimativen Nachschlagewerk für das Genre auszubauen. Ich bin weiterhin für jeden Hinweis dankbar – wen es interessiert, was noch auf meiner Watchlist schlummert, der kann gerne in meiner Letterboxd-Liste stöbern.

Es gibt also noch viel zu tun. Die Reste der Geburtstagstorte sind bereits aus den Mundwinkeln gewischt. Bleibt mir noch, mich aufrichtig bei allen Lesern und Unterstützern zu bedanken. Ich freue mich, wenn Ihr auch weiter fleißig bei der Stange bleibt. Wer mich in pure Ekstase versetzen möchte, kann dies tun, indem er journalistenfilme.de bei Facebook oder Twitter folgt – oder aber eine der folgenden Support-Möglichkeiten ausschöpft. Vielleicht fühlt Ihr Euch ja sogar von meiner Kooperationsbereitschaft angesprochen – Whistleblower können mir unter patrick [at] journalistenfilme [punkt] de einen anonymen Hinweis hinterlassen . In diesem Sinne: Auf ins zweite Jahr!

Wer sich dafür interessiert, warum ich das alles mache – mehr zu meiner Motivation findet Ihr in diesen Beiträgen:

Über journalistenfilme.de

Darauf kommt’s mir an: Ein BlogABC aus der Sicht eines Filmbloggers

Der psychologische Trigger für diesen Blog: Freddy Lounds aus Roter Drache.

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Verantwortungslos zur besten Sendezeit: Lee Gates in Money Monster (2016)

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Wer ist hier das Monster? Lee Gates (George Clooney) ist der Moderator der hyperaktiven Börsenshow Money Monster. Mit goldenem Uncle Sam-Gedächtniszylinder und ordentlich Bling Bling um den Hals wirft der narzisstische Host mit halbseidenen Anlagetipps um sich. Bis eines Tages ein frustrierter Zuschauer die Sendung stürmt und Gates seine Neo-Yuppie-Montur gegen eine Sprengstoffweste tauschen muss. Das jähe Ende einer rauschenden Party. Und der Beginn einer wundersamen Wandlung vom boulevardesken Saulus zum investigativen Paulus.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Sony Pictures.

Finanzkrisen kommen und gehen. Die Gier und die Unbelehrbarkeit bleiben. Jodie Foster lässt in Money Monster die nächste Blase platzen, wenn auch nur im Kleinen. Kyle Budwell (Jack O’Connell) hat sein gesamtes Vermögen in Aktien des IBIS-Konzerns investiert – auf Anraten von Lee Gates, der das Papier in seiner Sendung zur todsicheren Geldanlage mit Aussicht auf schnellen Profit hochjazzt. Blöd nur, dass die Aktie über Nacht gnadenlos abschmiert, aufgrund eines Glitches in der firmeneigenen Geldverwaltung, wie es in der ersten offiziellen IBIS-Verlautbarung heißt. Kyle Budwell ist das nicht genug. Er verlangt nach Antworten und nimmt Gates vor laufender Kamera als Geisel.

In Money Monster regiert die Verantwortungslosigkeit. Oben zwackt ein gieriger Manager Unternehmensgelder ab, um seine ohnehin enormen Gewinne zu vervielfachen. Unten riskiert ein werdender Familienvater eine 60.000 Dollar-Erbschaft, in der Hoffnung, ein Stück vom Kuchen zu ergattern. Keine Frage: Wenn die Blase einmal platzt, dann hat das gesamte System versagt. Man muss allerdings kein Spekulant sein, um zu erahnen, auf wessen Seite sich ein Film wie Money Monster schlägt. Der Mörder ist eben immer der CEO. Der kleine Mann ist das Opfer. Von den Ängsten vor mangelnder Absicherung geplagt, von den Verheißungen einfacher Geldvermehrung verführt. Von Männern wie Lee Gates, die ein sorgenfreies Leben führen, weil sie sich die Sorgen und Träume anderer zu eigen machen.

"Ich hab nichts gemacht": Lee Gates (george Clooney, links) wird in Money Monster von Kyle Budwell (Jack O'Connell rabiat zur Rede gestellt.

„Ich hab‘ nichts gemacht“: Lee Gates (george Clooney, links) wird von Kyle Budwell (Jack O’Connell rabiat zur Rede gestellt.

„Wir machen doch keinen Journalismus!“

Money Monster ist Verantwortungslosigkeit zur besten Sendezeit. Rampensau Gates interpretiert seine Show als eine Art Finanzimprovisationstheater. Wenig Skript, maximaler Kick. Sehr zum Leidwesen seiner Produzentin Patty Fenn (gespielt von Julia Roberts), die von Überraschungen eher weniger angetan ist. Aber solange Gates performt und die Quote stimmt, trägt sie das Konzept der Sendung mit. Und das ist in erster Linie eines: dumm-dreist. Leicht bekleidete Mädchen, Statussymbole und regnende Dollarnoten. Das sind die Versprechungen, die Money Monster macht. Und wenn ein Anlagetipp mal nicht einschlägt, wird einfach zur Tagesordnung übergangen. Die nächste Rendite kommt bestimmt. Da die Anleger im Zuge des IBIS-Crash Verluste von immerhin 800 Millionen Dollar eingefahren haben, fühlen sich die Verantwortlichen in diesem speziellen Fall allerdings doch  mal verpflichtet nachzuhaken. Der Form halber. Im Grunde genommen reicht ihnen die offizielle Stellungnahme bereits aus. „Scheiße, wir machen hier doch keinen Journalismus“, gibt Produzentin Patty zu Protokoll. Nur für den Fall, dass das hier noch niemand bemerkt haben sollte.

Die Kritik in Money Monster kommt mit dem Holzhammer. Sowohl von der Prämisse als auch von der Ausführung her erinnert Money Monster stark an Constantin Costa-Gavras Mad City. Dort wankt der unbedarfte Working Class-Hero Sam Bailey (in der Gestalt von John Travolta) in eine Ausnahmesituation und wird zum Spielball der Medien. Kyle Budwell tritt entschlossener auf als der hart an der Grenze zur geistigen Retardierung agierende Baily, ist der Situation aber ebensowenig gewachsen, weil er sie nicht zu Ende gedacht hat. Auch Kyle ist ein Spielball, allerdings weniger ein Spielball der Medien, sondern viel mehr ein Spielball des Kapitalismus. Die Medienkritik in Money Monster ist das Vehikel für die Kritik am System.

Das Blatt wendet sich: Kyle Budwell hat die Aktion nicht wirklich zu Ende gedacht und wird zum Spielball.

Das Blatt wendet sich: Kyle Budwell hat die Aktion nicht wirklich zu Ende gedacht und wird zum Spielball.

Clooney spült das Money Monster weich

Die Money Monster-Show ist nicht die Wurzel allen Übels. Sie ist das symptomatische Bindeglied zwischen denen „da oben“ und denen „dort unten“. In dieser Position erhalten Lee Gates und Patty Fenn die Chance zur Rehabilitierung – indem sie endlich ihren Kontrollauftrag wahrnehmen und die Machenschaften der IBIS-Oberen hinterfragen. Das Problem aus dramaturgischer Sicht ist jedoch, dass dieser Sinneswandel ein erzwungener ist. Erst die Pistole auf der Brust holt die journalistischen Tugenden zum Vorschein. Nach dem Motto: Bevor gehandelt wird, muss immer erst etwas passieren. Der Wandlung von Lee Gates fehlt es dadurch an Aufrichtigkeit, der eitle Moderator steht ständig im Verdacht, lediglich seine eigene Haut retten zu wollen. Dass George Clooney die Hauptrolle spielt, macht die Sache nicht leichter. Clooney ist charismatisch genug, einen Schnösel wie Gates mit Sympathiewerten auszustatten, die es dem Zuschauer ermöglichen, der Handlung mit Spannung zu verfolgen. Wäre Lee Gates kein Charmebolzen, sondern ein unausstehliches Arschloch – man würde Kyle Budwell förmlich anflehen, den verdammten Zünder zu aktivieren. Heißt im Umkehrschluss: Es fällt schwer, einem Clooney Absicht zu unterstellen. Wer zum Abspann derart treudoof aus der Wäsche schaut, der kann es vorher nicht besser gewusst haben. Clooneys Präsenz ist der Weichspüler in einem Film, der zwischen bissiger Satire, Action-Thriller und Drama oszilliert.

Schade um die Ausgangssituation: Dass Medien ihre verfassungsrechtliche informelle, aber – hierzulande – höchstrichterlich zugesprochene Kritikfunktion längst nicht mehr im vollen Umfang wahrnehmen, darauf lohnt es sich hinzuweisen. Gerade im Zuge der Finanzkrise hat der Journalismus als Frühwarnsystem versagt. Adam McKays The Big Short macht dies deutlich, indem er den Journalismus mit Abwesenheit glänzen lässt. Jodie Foster geht einen Schritt weiter und macht die Medien zu Komplizen. Eine Sichtweise, die angesichts wirtschaftlicher Abhängigkeiten und verstärkter PR-Einflüsse berechtigt ist – durch die reißerischen Augen des Money Monsters betrachtet allerdings nicht ganz einleuchten will. Dafür ist der Film zu sehr damit beschäftigt, seine Spannungskurve aufrechtzuerhalten. Warum und wieso? Kein Plan. Aber, scheiße, hey: Wir machen doch hier keinen Journalismus.


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Gruselpresse: Journalisten in Horrorfilmen

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Red Dragon Journalism

Journalisten haben vor nichts Angst. Außer vielleicht vor unsicheren Beschäftigungsverhältnissen. Aber das ist ein anderes Thema. Wir haben hier 13 Filme, die – mehr oder weniger – für Urin getränkte Hosen sorgen. Was mitunter an den haarsträubenden Journalistenfiguren liegt. Weil heute Halloween ist – wir stellen Euch einige Journalisten in Horrorfilmen vor. 

Text: Patrick Torma

The Ring (2002)

In dem Remake des japanischen Gruselfilms spielt Naomi Watts die Journalistin Rachel Keller. Die alleinerziehende Mutter kommt durch einen Todesfall in der Familie an ein mysteriöses Video, das Betrachter nach sieben Tagen über den Jordan jagt. Im YouTube-Zeitalter undenkbar. Wer interessiert sich heute noch für ein abgenudeltes Tape? Als ob das viral ginge! 2002 aber steht noch in jedem Haushalt ein Videorecorder. Die Intensivrecherche führt Rachel auf die Spur eines Fluches. Und auf den Grund eines Brunnens. Das nennt man „tief in die Materie“ einsteigen.

Journalisten in Horrorfilmen: Rachel Keller geht dem Brunnen auf den Grund. Bildmaterial: DreamWorks.

Rachel Keller geht dem Brunnen auf den Grund. Bildmaterial: DreamWorks.

Resident Evil: Apocalypse (2004)

Die Zombie-Apokalypse als Karriere-Boost? Terri Morales (Sandrine Holt) tritt beim lokalen Stadtsender Racoon 7 auf der Stelle. Doch jetzt, wo die Toten zum Leben erwachen, wittert die renitente Reporterin ihre Zeit kommen. Blöd nur, dass niemand mehr da ist, der ihr zuschauen könnte. So ist ihr Griff nach den Sternen zum Scheitern verurteilt. Auch, weil Terri Morales nicht die hellste Leuchte im Sendestudio ist. Und die wird auch bald ganz ausgeknipst. Ups. Spoiler. Aber wer erwartet ernsthaft, dass eine Nervensäge wie Frau Morales das Ende eines Horrorfilms erlebt?

Zombieflüsterin Nr. 1: Terri Morales. Mit großen Ambitionen durch Racoon City. Bildmaterial: Constantin Film.

Zombieflüsterin Nr. 1: Terri Morales. Mit großen Ambitionen durch Racoon City. Bildmaterial: Constantin Film.

[REC] (2007)

Die zweite Zombieflüsterin in dieser Aufstellung über Journalisten in Horrorfilmen. Angela Vidal (Manuela Velasco) stellt sich nicht ganz so dämlich an wie Terri Morales. Sie hat allerdings die letzten 30 Jahre popkulturell unter einem Grabstein gehaust. Wie bitte kann man heutzutage noch eine halbe Nacht der lebenden Toten benötigen, um dahinterzukommen, was es mit diesen tollwütigen Nachbarn in diesem großzügig von der Außenwelt abgeschnittenen Wohnhaus auf sich hat? Egal. Hauptsache die Kamera für die Nachwelt läuft. Found-Footage der gehobenen Sorte.

Zomieflüsterin Nr. 2. Angela Vidal. Lokaljournalistin berichtet aus der Quarantäne. Bildmaterial: 3L Filmverleih.

Zomieflüsterin Nr. 2. Angela Vidal. Lokaljournalistin berichtet aus der Quarantäne. Bildmaterial: 3L Filmverleih.

Stephen King’s The Night Flier (1997)

Journalisten in Stephen King-Verfilmungen gibt es wie Sand am Meer. Zumindest gefühlt … falsch gefühlt. Sind nämlich alles Autoren. Tatsächlich gibt es nur einen King-Journalisten mit tragender Rolle.  Und bei dessen Anblick wird einem schlagartig bewusst, warum „Journalist“  gar keine geschützte Berufsbezeichnung ist. Dwight Renfield (Miguel Ferrer) vom Schmuddelblättchen „Inside View“ lässt  selbst Bluthunde wie Freddy Lounds wie Chorknaben aussehen. Für eine gute Story würde er das Grab seiner Mutter schänden. Und selbst das wäre ihm nur eine kurze Notiz wert. Versteckt im Innenteil.  Die Seite 1 ist für den dämonischen Night Flier reserviert.

Manischer Typ: Dwight Redfield, Schmuddeljournalist beim Inside View. Bildmaterial: New Line Cinema.

Manischer Typ: Dwight Redfield, Schmuddeljournalist beim Inside View. Bildmaterial: New Line Cinema.

The Shrine (2010)

Pressereise nach Polen. Vier US-Journalisten tuckern nach Mitteleuropa, um das Schicksal eines verschwundenen Rucksacktouristen zu klären. In dieser Redaktion möchte ich auch mal arbeiten. Bei dem üppigen Reisebudget. Wie viele Leute wohl erst bei weltbewegenden Ereignissen abgestellt werden? Diese vier jedenfalls nicht mehr – die werden in einem entlegenen Nest von heidnisch veranlagten Dorfbewohnern zu Krakauern verarbeitet.

Watt? Wer bist Du denn? Eine Pressereise nach Polen gerät außer Kontrolle! Bildmaterial: I-On New Media.

Watt? Wer bist Du denn? Eine Pressereise nach Polen gerät außer Kontrolle! Bildmaterial: I-On New Media.

Interview mit einem Vampir (1994)

Blutarmer geht es in diesem 90er-Jahre-Klassiker zu. Die Autorin der Romanvorlage, Anne Rice, macht aus stattlichen Karpartenfürsten weinerliche Metros. Vampir Louis (Brad Pitt) erzählt dem Reporter Daniel Malloy (Christian Slater) seine Jahrhunderte währende Lebens- bzw. Leidensgeschichte. Malloy hört interessiert zu und stellt zwischendurch Fragen. Daher der Filmtitel.

Ungewöhnliche Gesrpächssituation: Daniel Malloy interviewt Vampir Louis. Bildmaterial: Warner Bros.

Ungewöhnliche Gesprächssituation: Daniel Malloy interviewt Vampir Louis. Bildmaterial: Warner Bros.

American Horror Story (2013)

Kein Horrorfilm. Sondern Horror in Serie. Trotzdem eine Erwähnung in dieser Liste über Journalisten in Horrorfilmen wert. In Asylum, der zweiten Staffel der Anthologieserie, versucht Journalistin Lana Winters (Sarah Paulson) an den Frauenkiller „Bloody Face“ heranzukommen. Der wurde gerade in die psychiatrische Anstalt Briarcliff eingeliefert. Weil Winters zu viele Fragen stellt, wird sie kurzerhand selbst zur Insassin.

Ein Journalist im Irrenhaus – das ist übrigens ein beliebter Aufhänger. Nicht zuletzt, weil es ein historisches Vorbild gibt: Die Enthüllungsjournalistin Nellie Bly berichtete 1887 in ihrem Buch Ten Days in a Mad-House über die Zustände in der berüchtigten New Yorker Frauen-Nervenheilanstalt auf Blackwell’s Island. Dafür hatte sie sich undercover in Behandlung begeben. Die Geschichte wurde erst kürzlich verfilmt.

Ab in den Bau: Lana Winters wird mundtot gemacht, in dem sie zwnagsweise in eine Sanatorium ein geliefert wird. Bildmaterial: 20th Century Fox Home Entertainment.

Ab in den Bau: Lana Winters wird mundtot gemacht, in dem sie zwangsweise in eine Sanatorium ein geliefert wird. Bildmaterial: 20th Century Fox Home Entertainment.

The Vanished (2006)

In diesem J-Horrorschinken geht Sota, Journalistin mit Faible für okkultes, dem Fund einer Kinderleiche nach. Ursprünglich, um die Geschichte mit paranormalen Theorien zu würzen. Schließlich ist vor Jahren eine Schulklasse spurlos verschwunden. Kann ja keiner ahnen, dass das Kind tatsächlich von den Toten zurückkehrt und Sota mit auf eine Reise in die Vergangenheit nimmt, um das Geheimnis eines missratenen Schulausfluges zu lüften. Der Originaltitel ist übrigens Ame no machi – was laut japanisch-deutsch.org möglicherweise „Regen der Stadt“ heißt.

Ziemlich kopflos? In Vanished wird Reporterin Sota in die Geisterwelt entführt.

Ziemlich kopflos? In The Vanished wird Reporterin Sota in die Geisterwelt entführt.

Mothman Prophecies  (2002)

Richard Gere jagt den Mottenmann. Nach dem Unfalltod seiner Frau zieht es John Klein nach Point Pleasant, West Virginia. Dort macht eine unheimliche Erscheinung die Runde. Der Journalist nutzt seine Recherchefähigkeiten, um dem Ganzen nachzuspüren. Gepflegter Mystery-Grusel im Stile einer Akte X-Monster of Week-Folge. Nur eben in abendfüllend.

Schlaflos in Point Pleasant. John Klein muss immerzu an den Mottenmann denken. Bildmaterial: Concorde.

Schlaflos in Point Pleasant. John Klein muss immerzu an den Mottenmann denken. Bildmaterial: Concorde.

Mondo Cannibale (1973)

Schmodder aus den Untiefen des Exploitation-Kinos: Mondo Cannibale ist dafür bekannt, der erste Film zu sein, der die Tötung von Tieren großflächig inszeniert. Zu Unterhaltungszwecken, versteht sich. Ansonsten erzählt dieser Italo-Klassiker die Geschichte des Journalisten Duane John Bradley, der nach einer verunglückten Kneipenschlägerei in den thailändischen Dschungel abtaucht. Auf wen er dort trifft, ist angesichts des Titels leicht zu erraten.

Abhängen in Thailand: Duane John Bradley taucht in den Dschungel ab. Nicht die beste Idee. Bildmaterial: Future Film.

Abhängen in Thailand: Duane John Bradley taucht in den Dschungel ab. Nicht die beste Idee. Bildmaterial: Future Film.

Haunted Hill – Die Rückkehr in das Haus des Schreckens (2007)

Wir haben den Bodensatz erreicht: Haunted Hill – Die Rückkehr in das Haus des Schreckens ist die Direct-to-DVD-Fortsetzung eines 90er-Jahre Remakes eines alten Vincent Price-Klassikers von 1959.  Ariel will ihrer Schwester nicht glauben, dass sie nur knapp einem von Geisterhand durchgeführten Massaker entkommen ist. Erst als Schwesterchen durch mysteriöse Umstände verscheidet, nimmt die Redakteurin eines Fashionsmagazins (!) das fragliche Sanatorium genauer unter die Lupe.

haunted-hill-journalismus

Dracula im Schloß des Schreckens (1971)

Noch mehr Schrecken in deutschen Verleihtiteln. Ein Journalist trifft Edgar Allen Poe. Der behauptet felsenfest,  seine Geschichten seien alle der Wahrheit entsprungen. Glaubt der Journalist natürlich nicht. Weiß doch jeder, dass der gute, alte Poe eine Schwäche für Absinth hat. Daraufhin lädt der Literat den Skeptiker zur einer Nacht auf Schloss Blackwood ein. Von dort ist noch niemand zurückgekehrt. Nicht mal Dracula. Zugegeben: Der findet in diesem Film nicht wirklich statt. Im Gegensatz zu Klaus Kinski. Der schlüpft nämlich in die Rolle von Poe – und verschwindet nach wenigen Minuten. Der Glückliche.

Da ist doch! Richtig, David Duchovny als Edgar Allen Poe! Bildmaterial: Edel Media.

Da ist doch..! Richtig, David Duchovny als Edgar Allen Poe! Bildmaterial: Edel Media.

The Devil Bat (1940)

Vom deutschen Wüterich Kinski zum Hungaro-Gentleman Bela Lugosi, der umso mehr mit Dracula am Cape hat als Dracula im Schloß des Schreckens. Und welchen Part übernimmt Lugosi, wenn er mal nicht in die Rolle des Karpartenfürsten schlüpft? Richtig. Die des wahnsinnigen Doktors. So auch in The Devil Bat. Hier spielt er einen fiesen Komestik-Alchemisten, der noch fiesere Riesenfledermäuse ausbrütet. Stoppen soll ihn – wie kann es auch anders sein? – ein Journalist. Wer auf den letzten Drücker einen Heuler für Halloween sucht: The Devil Bat ist Public Domain.

Dr. Bela heckt schon wieder etwas aus. Die Schutzbrille ist verräterisch! Bildmaterial: Public Domain.

Dr. Bela heckt schon wieder etwas aus. Die Schutzbrille ist verräterisch! Bildmaterial: Public Domain.

journalistenfilme.de wünscht eine schaurig-schöne Nacht. Wenn Euch weitere Journalisten in Horrorfilmen einfallen – dann freue ich mich, wenn Ihr mir einen Kommentar da lasst!

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Fake News zum Einschlafen: Special Correspondents (2016)

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Neues von der Lügenpresse: Frank Bonneville (Eric Bana) ist ein Rockstar unter den Radioreportern. Zumindest hält er sich für einen solchen. Dabei haben er und sein Sender schon bessere Tage erlebt. Plötzlich tut sich die Gelegenheit auf, das abgewrackte Image aufzupolieren. Frank soll, gemeinsam mit Tontechniker Ian Finch (Ricky Gervais), nach Ecuador aufbrechen – das lateinamerikanische Land steht vor einem Umsturz. Blöd nur, dass die Pressereise durch ein Missgeschick bereits am New Yorker Flughafen endet. Frank und Ian erstatten kurzerhand aus einer kleinen Etagenwohnung über einem spanischen Imbisslokal Bericht…

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Netflix.

Fake News regen auf. Wer lässt sich schon gerne manipulieren? Dafür schauen wir umso lieber zu, wenn andere in die Irre geführt werden. Man denke nur an Filme wie Wag The Dog, The Truman Show oder  Thank You For Smoking, die unserer Mediengesellschaft den Spiegel vorhalten. Special Correspondents will in dieser Liga mitspielen.

Man müsste meinen, Ricky Gervais hat es drauf. Mit The Office, einer Serie über den ganz normalen Bürowahnsinn, schuf der Comedian einen Welterfolg. Als Filmregisseur will der Brite allerdings nicht so richtig zünden. The Invention of Lying (2009) und Cemetery Junction (2010) gingen als nette, aber wenig erinnerungswürdige Komödien an den Kinokassen unter. Dieses Schicksal bleibt  Special Correspondents erspart – der Film startete gar nicht erst in den Lichtspielhäusern. Die Rechte liegen exklusiv bei Streaminganbieter Netflix.

Journalistenduo Infernale aus dem Original: Envoyés très spéciaux ist die Vorlage für Ricky Gervais' Special Correspondents. Hier ein Ausschnitt vom Filmplakat.

Journalistenduo Infernale aus dem Original: Envoyés très spéciaux ist die Vorlage für Ricky Gervais‘ Special Correspondents. Hier ein Ausschnitt des Filmplakats.

Das Original stammt aus Frankreich

The Office wurde in vielen Ländern adaptiert (in Deutschland als Stromberg), für seinen dritten Regiestreich wilderte Ricky Gervais diesmal selbst im Ausland. Special Correspondents ist nämlich ein Remake. Das Original stammt aus Frankreich, heißt Envoyés très spéciaux und lockte 2009 etwas mehr als eine halbe Million Franzosen in die Kinos. In einem Land, das seine einheimischen Komödien gerne zelebriert, ist das kein wahnsinnig großer Erfolg. Verglichen mit Millionenhits wie Willkommen bei den Sch’tis (über 20 Millionen Kinogänger!), Ziemlich beste Freude, Taxi Taxi oder auch Die Besucher (mit Jean Reno als verirrter Zeitreiseritter) ist Envoyés très spéciaux ist nicht mehr als eine Randnotiz des französischen Kinos.

Was an dieser Stelle nichts heißen soll, schließlich entzieht sich das Original meiner Kenntnis. Die Idee liest sich jedenfalls wie die Steilvorlage für  eine bitterböse Mediensatire: Ganz Frankreich nimmt Anteil an der Entführung zweier Journalisten im Irak. Was die Öffentlichkeit nicht ahnt: Das Verbrechen ist nur fingiert – für ein bisschen Ruhm und Quote. Als den Journalisten bewusst wird, dass sie den Bogen überspannt haben, wollen sie die Geschichte auflösen – indem sie unerkannt in den Irak reisen und ihre Freilassung inszenieren…

In den Fängen der Ecuadorianische Befreiuungsfront. Oder war es doch die Befreiuungsfront von Ecuador? Egal, die Entführung der Special Correspondents ist eh nur fingiert.

In den Fängen der Ecuadorianischen Befreiuungsfront. Oder war es doch die Befreiuungsfront von Ecuador? Egal, die Entführung der Special Correspondents ist eh nur fingiert.

Der Weg des geringsten Widerstandes

Was macht Ricky Gervais aus dieser Steilvorlage? Er verschleppt erstmal das Tempo, indem er die Geschichte aus dem Irak nach Ecuador verlagert. Anstatt in ein außenpolitisches Wespennest zu pieksen, entscheidet er sich für ein exotisches Land, das niemanden interessiert (Ecuador ist gefühlt der einzige lateinamerikanische Staat, in dem die USA nicht offen oder verdeckt operierten) bzw. dessen Wahl möglichst wenigen Menschen auf die Füße tritt (da haben sie die Rechnung nicht mit Imdb-Nutzer bax-83682 gemacht: „As an ecuadorian i hated every minute of that sh***“). Das kann nur nett werden.

Und das sind die Special Correspondents auch – einfach nur nett. Wenn man es gut mit ihnen meint. Man könnte auch sagen: Die Special Correspondents haben keine cojones. Bloß nicht anecken. Das Höchste der zynischen Gefühle sind Dialoge wie der zwischen Frank und Ian, als sie gerade feststellen, dass die Kampfhandlungen in Ecuador für beendet erklärt wurden: „Der Krieg ist vorbei!“ – „Das ist doch gut!“ – „Aber nicht für uns!“ Nichts, was aus der Bahn des Erwartbaren ausschert. Schlimmer noch: Dass der Film das derart Offensichtliche auch noch ausspricht, macht ihn geradezu banal.

Lahme Action zum Ende eines lahmen FIlms: Frank (Eric Bana) und Ian (Ricky Gervais) verschlägt es tatsächlich nach Ecuador, weil sie irgendwie ihre inszenierte Entführung auflösen müssen.

Lahme Action zum Ende eines lahmen FIlms: Frank (Eric Bana) und Ian (Ricky Gervais) verschlägt es tatsächlich nach Ecuador, weil sie die inszenierte Entführung irgendwie auflösen müssen.

Banal Correspondents

Oberflächlich ist auch die Charakterisierung der beiden Protagonisten. Journalistenfigur Frank Bonneville ist arrogant, egozentrisch und im höchsten Maße von seiner eigenen Genialität überzeugt. Dabei hat er es „nur“ zu einer New Yorker Lokalgröße gebracht, die für einen strampelnden Radiosender arbeitet. Und selbst dort ist er nicht unantastbar – der Sendechef droht mit der Suspendierung, sollte sich Frank einen weiteren Fehltritt erlauben: Sein „Starreporter“ wurde dabei erwischt, wie er sich als Detective ausgab, um Insiderinformationen zu erschleichen. Ian Finch verkörpert natürlich das komplette Gegenteil: Optisch ein Kevin James-Verschnitt, ist er ein Radiotechniker aus Hingabe. Keiner sieht oder hört ihn, doch das macht dem idealistischen Eigenbrötler nichts aus. Was dessen Frau (Vera Famiga) wiederum auf die Palme bringt. Als Möchtegern-Starlet hatte sie gehofft, dass ihr Mann die Karriereleiter emporsteigt. Jetzt stellt sie entnervt fest, dass „Radio nicht so der Reißer“ ist. Dafür springt sie mit Frank in die Kiste. Der arbeitet zwar auch beim Radio – sieht aber zumindest erfolgreich aus.

Natürlich ist klar, worauf diese Figurenkonstellation hinausläuft: Der Coole ist am Ende gar nicht mehr so cool, gibt sich aber immerhin geläutert. Der Verlierer ist in Wirklichkeit ein Gewinner, der seine karrieregeile Ehefrau in die Wüste schicken und stattdessen mit dem unscheinbaren, aber herzensguten Redaktionsmäuschen gen Sonnenuntergang schlendern darf. Das perfekte Happy End für Freunde seichter, (b)romantischer Komödien. Wer jedoch einen zotigen Medien- bzw. Journalistenfilm oder gar bleibende Eindrücke erwartet, der wird enttäuscht. Was hätte man aus dieser Vorlage nicht alles machen können? Special geht jedenfalls anders.

Der Beitrag Fake News zum Einschlafen: Special Correspondents (2016) erschien zuerst auf journalistenfilme.de.

Story gegen Sex: Heather Holloway aus Thank You For Smoking (2005)

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Eine Reporterin deckt die Machenschaften der Tabakindustrie auf. Eigentlich müsste Heather Holloway eine gefeierte Heldin sein. Stattdessen wird sie in Thank You For Smoking zur Rechenschaft gezogen. Weil sie mit ihrem Informanten ins Bett gestiegen ist. Fubar. Wie kann sie nur? Wir gehen auf Ursachenforschung.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: 20th Century Fox.

Wer sich mit der Darstellung von Journalistinnen im Film befasst (oder Stammleser auf journalistenfilme.de ist), der weiß: Heather Holloway ist nicht die einzige Filmjournalistin, die den Tauschhandel Infos gegen Sex vollzieht. Wann immer eine schöne Reporterin die Leinwand betritt, sind sexuelle Spannungen vorprogrammiert. Es muss nicht immer zum Äußersten kommen. Manchmal reicht das Anbandeln (wie bei Maddy Bowden in Blood Diamond). Aber irgendwas ist immer. Spontan fallen mir nur die großen Journalistenfilmen aus diesem Jahr ein, die ohne Bettgeschichten auskamen. In einem Film wie Spotlight, der den Missbrauch von Kindern thematisiert, wäre das aber auch äußerst pietätlos. Und Mary Mapes aus Der Moment der Wahrheit wird von ihrer Umwelt als „Ultrafeministin“ wahrgenommen. Wer will da schon ran?

Vielleicht bin ich pingelig. Dass Frauen mit Männern ins Bett springen, ist nun mal so. Vor allem in Film. Das klassische Drehbuch, egal ob Action-Blockbuster, Komödie oder Drama, besteht aus Formeln. Und eine Formel besagt: Vergiss bloß nicht die Beziehungsebene zwischen männlicher und weiblicher Hauptfigur! Man kennt es ja. Gefühle machen alles komplizierter. Ergo interessanter für das Kinopublikum. Diese Formelhaftigkeit kann allerdings nicht die Entschuldigung dafür sein, dass man stark geschriebene Frauenrollen im Mainstream-Kino mit der Lupe suchen muss. Sie erklärt auch nicht, warum Journalistinnen im Filmen so häufig schlecht wegkommen. Wenn Reporterinnen Körpersäfte austauschen, dann meist aus beruflichen, weniger aus emotionalen Gründen. Nur um am Ende des Films abgestraft zu werden. Ein Motiv, dass wir nur allzu gut aus Horrorfilmen kennen: Die Schlampe bekommt ihr Fett weg. Gerade eine Serie wie House of Cards – die ich in der Darstellung der politischen Ränkespiele für hervorragend halte – kultiviert das Bild von der Kurtisane im Journalistinnen-Gewand. Als ob Journalistinnen nicht mehr in der Lage wären, Infos auf anderem Wege einzuholen.

Lesetipp zum Thema: Memo to Hollywood: Female Journalists Don’t Sleep With Their Subjects
Wer kann diesen Rehaugen widerstehen? Katie Holmes alias Heather Holloway braucht nicht viel, um ihre vertrauensbildenden Maßnahmen auf fruchtbaren Boden fallen zu lassen.

Wer kann diesen Rehaugen widerstehen? Katie Holmes alias Heather Holloway braucht nicht viel, um ihre vertrauensbildenden Maßnahmen zur Entfaltung zu bringen.

Der „Sündenfall“ Heather Holloway

Doch wie verhält es sich jetzt mit dem „Sündenfall“ von Heather Holloway (Katie Homes) in Thank You For Smoking? Reiht sich Miss Holloway in die lange Reihe von ärgerlichen Journalistenfiguren ein? Oder greift der Film ein lediglich Klischee auf, damit wir mit der Nase darauf stoßen? Immerhin handelt es sich hier um eine Satire.

Wie alles andere in dem Film ist auch die Liaison zwischen Heather Holloway und Nick Naylor (Aaron Eckhart) gnadenlos überzeichnet. Als Pressesprecher des Forschungszentrums für Tabakstudien (siehe Infobox) – eine Einrichtung, deren „Sinn“ darin besteht, den Zusammenhang zwischen Tabakkonsum und Lungenkrebserkrankungen zu verschleiern – ist es seine Aufgabe, die Medien im Zaum zu halten. Ganz im Sinne der großen Glimmstängel-Hersteller. Und er macht seine Sache gut. So gut, dass er jegliche Selbstzweifel über Bord geworfen hat. Zu Beginn des Films stellt er sich als „Pin-Up Boy der Zigarettenindustrie“ vor. Naylor ist ganz eitler Pfau, der empfänglich für die Schmeicheleien seiner Umwelt ist. Seine geschiedene Gattin wird später zu ihm sagen: „Es war klar, dass eine Frau dein Verderben sein würde.“

Infobox: Vorlage und Realität

Thank You For Smoking  basiert auf dem gleichnamigen Buch von Christopher Buckley aus dem Jahre 1994. Der Film nennt keine Jahreszahl, aber die Ereignisse müssten demnach Anfang der 1990er Jahre stattfinden. Zu diesem Zeitpunkt existiert das Tobacco Institute noch, Vorbild für das Forschungszentrum für Tabakstudien im Film. Am Ende des Films wechselt Nick Naylor in die freie Beratung. Zum richtigen Zeitpunkt, wie er sagt. Denn wenig später hätten die Konzerne hohe Schadenersatzsummen leisten müssen. Tatsächlich trat 1998 das Master Settlement Agreement in Kraft: Gegenüber 40 Bundesstaaten verpflichteten sich die Tabakkonzerne zu Zahlungen in Höhe von 200 Milliarden Dollar. Der Journalistenfilm Insider erzählt die Geschichte des Whistleblowers Jeffrey Wigand, die ihren Teil zum Agreement beitrug.

"Ich will mit Dir vögeln, während Du im Fernsehen bist." Miss Holloway weiß, was Männer hören wollen.

„Ich will mit Dir vögeln, während Du im Fernsehen bist.“ Miss Holloway weiß, was Männer im Bett gerne hören wollen.

Aus dem Bett ins Verderben

Dieses Verderben ist Heater Holloway von der Zeitung The Washington Probe. Nachdem wir Nick Naylor kennengelernt haben, schickt sie sich an, ein Portrait über den charismatischen Kippen-Advokaten zu schreiben. Die Freunde von der Waffen- und Alkohollobby, mit denen sich Naylor regelmäßig zum vertrauensvollen Plausch trifft, melden Bedenken an. Naylor winkt ab: Schließlich sei er Profi genug.  Als solcher versucht er, Heather Holloways Interessen abzuklopfen. Ob sie bloß – wie alle anderen auch – wissen wolle, wie er ruhigen Gewissens schlafen könne?

Doch Holloway lenkt das Gespräch auf die positiven Eigenschaften ihres Gegenübers. Der Fisch zappelt am Haken. Cut. In der nächsten Szene treiben es die beiden in einem Kleiderschrank. War doch klar, dass es diese rehäugige Reporterin faustdick hinter den Ohren hat. Und es kommt noch dicker: Während sie verschwitzt auf dem Bett liegen – sie trägt das Hemd ihres Liebhabers – läuft im TV ein Interview mit Naylor. Sie stöhnt: „Ich will mit Dir vögeln, während Du im Fernsehen bist.“ Fast so sexy wie Marla Singer in Fight Club: „Meine Güte. So bin ich seit der vierten Klasse nicht durchgefickt worden.“ So was kann sich ein Mann wie Nick Naylor nur wünschen. Aus, aus. Das Hirn ist aus.

Doch nicht so naiv: Heather Holloway hat ihre Liaison mit Nick Naylor ausgenutzt, um Insiderinformationen zu erhalten. Der geplante Bericht fällt gepfeffert aus.

Doch nicht so naiv: Heather Holloway hat ihre Liaison mit Nick Naylor ausgenutzt, um Insiderinformationen zu erhalten. Der geplante Bericht fällt gepfeffert aus.

Reporterinnen verführen eben

Und so kommt es, wie es kommen muss: Eines Tages erscheint Heather Holloways Portrait, gespickt mit allerhand pikanten Details aus der Welt der Tabakindustrie. Nick Naylor fällt aus allen Wolken, wie ein Kind, das gerade feststellt, dass es die versprochenen Süßigkeiten von der Supermarktkasse doch nicht gibt: „Du hast mich benutzt!“ Die Journalistin hingegen hat sämtliche Naivität abgelegt: „Wir beide machen, was wir lieben. Ich bin Reporterin.“ Rumms. Der hat gesessen. „Und Reporterinnen verführen eben einflussreiche Männer.“ Das sagt Holloway zwar nicht mehr. Aber man kann diesen Zusatz von ihren Augen ablesen.

Nick Naylor muss zusehen, wie er klarkommt. Seine Mitstreiter, von denen er glaubt hat, sie seien seine engsten Verbündeten, lassen ihn fallen. Sein Leben gerät aus den Fugen. Aber nicht für lange. Nach einigen Umdrehungen auf der Uhr holt er zum erwarteten Gegenschlag aus. Er macht die Beziehung mit Heather Holloway publik. Die Öffentlichkeit reagiert empört, Heathers Kollegen schauen sie angewidert an. Am Ende sieht man die junge Frau, wie sie während einer Live-Reportage von einem Wirbelsturm umgepustet wird. Die Schlampe bekommt ihr Fett weg.

Am Ende steht Heather Holloway im wahrsten Sinne des Wortes im Regen: Die Journalistin muss für ihren beruflich motivierten Beischlaf büßen.

Am Ende steht Heather Holloway im wahrsten Sinne des Wortes im Regen: Die Journalistin muss für ihren beruflich motivierten Beischlaf büßen.

Bewusstes Spiel mit dem Klischee?

So scheint es jedenfalls. So kam es mir auch während des ersten Sehens vor. Aber nicht vergessen: Thank You For Smoking ist Satire. Da wetteifern die Interessenvertreter von Alkohol-, Tabak- und Waffenwirtschaft beim Bier in der örtlichen Pinte darüber, welche Branche mehr Menschen auf dem Gewissen hat. 1.200 Tote täglich, allein in Amerika, gehen auf die Kappe der Zigarettenindustrie.  Rechnet Nick Naylor selbst vor. Die Öffentlichkeit aber echauffiert sich lieber über die dreiste Informationsbeschaffungsmaßnahme der Journalistin. Typisch prüdes Amerika. Fragwürdige Kriege dürfen US-Präsidenten führen. Aber wehe, sie versuchen sexuelle Beziehungen zu ihren Praktikantinnen zu vertuschen. Dann droht die Amtsenthebung.

So oder so: Heather Holloway ist das Abbild eines verquerten Rollentypus. Die Frage ist nur: Wie bewusst spielt Thank You For Smoking mit dem Klischee der umgarnenden Reporter-Sirene? Vieles, nein alles, was sich zwischen der Journalistin und dem PR-Posterboy abspielt, schreit förmlich „in your face“. Andererseits: Thank You For Smoking ist kein Film, der mit der Realität bricht.   Eine Anstalt, in der versucht wird, die Gesundheitsrisiken des Rauchens zu relativieren, ist keine fixe Idee. Sie existierte tatsächlich. So wie es auch Journalistinnen gab und gibt, die ihre Recherchen in der Horizontalen anfertigen. Irgendwo her muss dieses Klischee ja kommen. Problem: Um auf diesen Trichter zu kommen, bedarf es einer Denkleistung. Indem ein Film wie Thank You For Smoking zeigt, was die meisten Filme auch zeigen – das geht so weit, dass sich Filme, die dieses Klischee umschiffen, seltsam ungewohnt anfühlen – transportiert er ein Bild weiter, das diskriminierend ist. Story gegen Sex – so funktioniert der weibliche Journalismus nicht. Wenn es so wäre, wo sind dann die ganzen guten Insidergeschichten?


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Kurz notiert: Vartis Hammond – der unbesungene Held aus Judge Dredd (1995)

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Die gute Nachricht: Auch in Zukunft gibt es Journalisten. Die schlechte Nachricht: Sie leben besonders gefährlich. Vartis Hammond, der sonore Nachrichtenreporter in Judge Dredd, prangert das System an – um in der nächsten Szene das Zeitliche zu segnen. Ein kurzer Nachruf.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: Universum Film (UFA).

Zur Person: Im dritten Millennium sind Judikative und Exekutive eng miteinander verschmolzen – die Jugdes, eine Art Superpolizisten, fungieren als Rechtsprecher und Vollstrecker in Personalunion. Kritisch. Findet auch Vartis Hammond (gespielt von Mitchell Ryan, bekannt als konservativer Vater in der Sitcom Dharma & Dreg).

Als die Judges gewaltsam einen Bürgeraufstand niederschlagen, schreckt die graue, aber nimmermüde Eminenz der Mega-City Broadcasting Corporation nicht davor zurück, den Finger in die Wunde zu legen. Hammond deutet Korruption innerhalb höchster Kreise an. Er werde die Sache schon noch ans Licht bringen.

Doch so weit kommt es nicht. Hammond wird gemeinsam mit seiner Frau hingerichtet. Der wahre Mörder schiebt die Tat dem titelgebenden Judge Dredd (Sylvester Stallone) in die Schuhe.

Vartis Hammond. Graue Eminenz von Mega-City Broadcasting Corporation. Und heimlicher Held in Judge Dredd (1995)

Vartis Hammond. Graue Eminenz von Mega-City Broadcasting Corporation. Und heimlicher Held in Judge Dredd (1995)

Hammond bietet der Dystopie die Stirn

Funktion: In was für einer Welt möchten wir leben? Sicherlich nicht in der von Judge Dredd. Wo die Staatsgewalt zur Allmacht wird und die Gerechtigkeit herbe Dellen davonträgt. Vartis Hammond stirbt, weil für die Wahrheit steht. Einer der wenigen aufrichtigen Männer in dieser Dystopie. Und einer, der seine Aufgabe noch ernst nimmt. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Trivia: Die Geschichte um Vartis Hammond basiert auf der Comicerzählung The Day The Law Died (1978/79). Dort tarnt sich der wahnsinnige gewordene Judge Cal einen Roboter als Judge Dredd, um ihn für den Mord an einem Zeitungsherausgeber verantwortlich zu machen. Spoiler-Alert: Hat damals schon nicht vernünftig geklappt.

Unbesungenes Puzzlestück aus Judge Dredd

Nachhaltigkeit: In der Filmwelt und überhaupt? Null. Obwohl Vartis Hammond ein wichtiges Puzzlestück in Judge Dredd ist, geht die Figur unter. Alles geschieht so schnell, so beiläufig. Man möchte beinahe fragen: „Wen zum Kuckuck haben die gerade eigentlich erschossen?“ Aber keine Bange. Auf jounalistenfilme.de ist Platz für die unbesungenen Helden.

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Live aus Bagdad (2002): O‘ broadcaster, where are thou?

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Live aus Bagdad Michael Keaton Helena Bonham Carter Journalist

Goood mooorning, Bagdad! Im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris brodelt es gewaltig. Eine Gruppe verwegener CNN-Reporter reist am Vorabend des zweiten Golfkriegs in den Irak, um genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Kein leichter Job. Live aus Bagdad pflügt in 108 Minuten durch die Gefühlswelt des Kriegsberichterstatters.

Text: Patrick Torma. Bildmaterial: HBO.

Kein Krieg kommt ohne Bilder aus. Wen wundert‘s, dass jeder große Konflikt, von dem die Welt etwas hält, einen oder mehrere Kriegsreporterfilme spendiert bekommt? Der zweite Golfkrieg 1990/1991 bietet sich geradezu an: Immerhin ist Operation Desert Storm die erste Militäroffensive, die von den Nachrichtensendern live in die Wohnzimmer übertragen wird. CNN ist unmittelbar dabei, als die ersten Bomben und Leuchtspurgeschosse den Himmel über der irakischen Hauptstadt erleuchten – und wird dadurch endgültig zu einem international beachteten Medium. Wie es dazu kam, davon erzählt Mick Jacksons (Bodyguard, Volcano) TV-Film Live aus Bagdad. Vorlage ist der gleichnamige Tatsachenroman des CNN-Journalisten Robert Wiener.

Die Handlung von Live aus Bagdad setzt im Newsroom des Senders ein. Die CNN-Ältesten haben zur Lagebesprechung gerufen, denn soeben ist der Irak in das benachbarte Kuwait einmarschiert. Unter der Federführung der Vereinigten Staaten formiert sich eine Koalition zur Befreiung des Golfstaates. Ein militärischer Konflikt scheint unausweichlich, dementsprechend herrscht in der Redaktion Aufbruchsstimmung. Der von Ted Turner ins Leben gerufene Sender steht  in dem Ruf, immer dann zur Stelle zu sein, wann immer etwas Weltbewegendes passiert. So war es bei der Challenger-Katastrophe oder beim Fall der Berliner Mauer. So soll es auch sein, wenn am Golf die Hütte brennt. Ein 24-Stunden-Nachrichtenbetrieb (nein N24, billig eingekaufte Dino-Dokus und Endzeit-Reportagen fallen nicht unter den Sammelbegriff Nachrichten) verzehrt sich nach Bildern. Und dann ist da noch dieser irre irakische Diktator, dem man mal – aus journalistischem Ehrgefühl heraus – genauer auf die Finger schauen könnte. Robert Wiener, gespielt von Mr. Journalistenfilm Michael Keaton (Schlagzeilen, Spotlight), meldet sich freiwillig zum Dienst.

Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Was machen wir überhaupt hier? Ingrid Formanek (Helena Bonham Carter) und Robert Wiener (Michael Keaton) beim allabendlichen Sinnieren in der Bar. Ihre Beziehung bleibt platonisch.

Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Was machen wir überhaupt hier? Ingrid Formanek (Helena Bonham Carter) und Robert Wiener (Michael Keaton) beim allabendlichen Sinnieren in der Bar. Ihre Beziehung bleibt platonisch.

Gretchenfragen der Kriegsberichterstattung

Die grundlegenden Fragen stehen bereits nach dieser kurzen Einleitungsszene im Raum: Inwieweit erfüllt Kriegsberichterstattung aufklärerische Funktionen? Bis zu welchem Grad kann sie Einfluss auf den Verlauf eines Konfliktes nehmen? Und wann erfolgt sie aus wirtschaftlich-voyeuristischen Interessen? Man muss kein Medienwissenschaftler sein, um zu erahnen, dass die Grenzen zwischen den einzelnen Motiven fließend sind. Allerdings wissen wir auch, wie Spielfilme funktionieren: Hauptfiguren entwickeln sich. In der Regel zum Positiven. Das niedere Motiv kommt – dieser Logik folgend – an erster Stelle, erst nach und nach gelangen die hehren Absichten in den Blickpunkt. So und nicht anders funktioniert auch Live aus Bagdad.

Noch am Einreiseschalter am Saddam International Airport treffen Robert Wiener und sein Team auf die Konkurrenz. Man grüßt sich, frotzelt, wünscht sich Glück. Wie vor einer bevorstehenden Großwildjagd. Die Journalistenschar ist sich einig: Irgendwas wird man schon vor die Flinte bzw. vor die Kamera bekommen. Doch nur ein Sender wird die begehrteste Trophäe präsentieren können: ein Exklusivinterview mit Saddam Hussein.

Koppweh in Bagdad: Irgendwann schmeckt auch der beste Wodka mit Schweppes nicht mehr. Die anfängliche Abenteuerstimmung nach der Ankunft im Irak schlägt in Ernüchterung um.

Koppweh in Bagdad: Irgendwann schmeckt auch der beste Wodka mit Schweppes nicht mehr. Die anfängliche Abenteuerstimmung nach der Ankunft im Irak schlägt in Ernüchterung um.

Abenteuer im Mittleren Osten

Die ersten Tage im Mittleren Osten bleiben ein Abenteuer. Die kulturellen Unterschiede, die behelfsmäßige Technik in der Bagdader Sendeanstalt – die Bedingungen vor Ort werden weggewitzelt. Hier ein Klamauk unter Kameraden, dort ein raffinierter Einfall. Ist das Journalistenleben nicht schön? Doch schon bald wird aus dem Spiel Ernst. Das irakische Regime setzt amerikanische Staatsangehörige im Land fest. Sie sollen als menschliche Schutzschilde in strategisch wichtige Einrichtungen verlegt werden, sollte die anti-irakische Koalition ihre Drohungen wahrmachen. Was der Irak natürlich umgehend dementiert.

Wiener und sein Team wollen Interviews mit Betroffenen führen, der Welt zeigen, dass das irakische Regime Amerikaner als Geiseln festhält. Ein ranghoher Bewohner der unfreiwilligen WG weist die Journalisten semi-höflich daraufhin, dass dies keine gute Idee sei, weil man mögliche Repressalien fürchte. Durch ein Ablenkungsmanöver gelingt es den Reportern jedoch, den Amerikaner Bob Vinton vor die Kamera zu bekommen.

Interview mit Saddam - können diese Augen Lügen? CNN spielt ausnahmsweise die zweite Geige. Nach einem unliebsamen Bericht cancelt der Diktator den Termin. Das erste Interview bekommt CBS.

Interview mit Saddam – können diese Augen Lügen? CNN spielt ausnahmsweise die zweite Geige. Nach einem unliebsamen Bericht cancelt der Diktator den Termin. Das erste Interview bekommt CBS.

Verantwortung, quo vadis?

Kaum ist der Bericht ausgestrahlt, verschwindet Vinton spurlos.  Saddam cancelt das zuvor in Aussicht gestellte Interview – und steht stattdessen Dan Rather (siehe auch Der Moment der Wahrheit) und dem Konkurrenzsender CBS Rede und Antwort. Die Stimmung im Team ist dahin. Die ersten wollen wieder nach Hause. Wiener kommen Zweifel an seiner eigenen Tugendhaftigkeit. Ursprünglich wollte er der Welt nur die Wahrheit auftischen. Oder etwa nicht? Wiener muss sich eingestehen, dass ihn die Aussicht auf Ruhm blind gemacht hat für das Schicksal seiner Gesprächspartner. Er hat den Schutz seines Informanten vernachlässigt. Verantwortung, quo vadis? Die Gretchenfrage in jedem Kriegsreporterfilm.

Wiener macht, was ein Journalist nach einem Fehlschlag am liebsten tut – sich zurück in die Arbeit stürzen. Um die Scharte auszuwetzen. Über einen Kontaktmann erfährt er von einem ungeheuerlichen Vorfall in Kuwait. Irakische Soldaten sollen in mehreren kuwaitischen Krankenhäusern Neugeborene aus ihren Brutkästen gerissen und zum Sterben auf dem Boden zurückgelassen haben. Wenn das nicht das Unrecht ist, auf das es aufmerksam zu machen gilt. Die Sache hat nur zwei Haken:

  1. Dieser Vorfall ist erwiesenermaßen von der amerikanischen PR-Agentur Hill & Knowlton lanciert worden; im Auftrag der kuwaitischen Regierung, um die Weltöffentlichkeit von der Notwendigkeit einer Militärintervention zu überzeugen. Diese Propagandageschichte wurde als Brutkastenlüge entlarvt.
  2. Zum Zeitpunkt der Entstehung von Live aus Bagdad war längst bekannt, dass es sich bei diesem Vorfall um eine Lüge handelte. Der Film erwähnt dies mit keiner Silbe, die Ereignisse werden in diesem dokumentarisch anmutenden Reporterstück als reale Begebenheiten präsentiert. Keine Texttafeln, die die Geschichte geraderücken. Ein Fauxpas? Gezielte Stimmungsmache (9/11 ist noch frisch, der nächste Golfkrieg zeichnet sich ab)? Oder ein bewusster Kniff, um auf die Problematik gezielter Medienmanipulation hinzuweisen, wie die Macher im Nachgang betonten? Das ZDF tappte bei der Erstausstrahlung in die Glaubwürdigkeitsfalle: Die  Forschungsgruppe Informationsgesellschaft und Sicherheitspolitik warf dem „Zwoten“ vor, die Brutkastenlüge zu erneuern. Daraufhin veröffentlichte der Sender eilig einen Begleittext im Internet. Die Medienwissenschaftlerin Elvi Claßen sieht in dem Verhalten des ZDF „die Kolportage der gezielten Falschmeldung als Symptom für das beständige Unvermögen der Massenmedien mit Kriegspropaganda umzugehen.“
Mad Journalist aus...ja, aus was? Leidenschaft? Größenwahn? Peter Arnett (Bruce McGill) kommentiert sich in Rage. Die meisten sind da schon in den Schutzräumen. Sind diese Bilder es wert?

Mad Journalist aus…ja, aus was? Leidenschaft? Größenwahn? Peter Arnett (Bruce McGill) kommentiert sich in Rage. Die meisten sind da schon in den Schutzräumen. Am Ende bleibt die Frage; Sind diese Bilder es wert?

Live aus Bagdad: Die Ouvertüre eines Krieges

Was immer der Grund für diese historische Auslassung ist – sie hinterlässt einen fahlen Beigeschmack. Ansonsten ist Live aus Bagdad ein – dank MTV-Schnitt und flottem Erzähltempo – kurzweiliger Reisebericht, der seine Figuren durch ein Wechselbad der Gefühle schickt. Er zeigt uns Reporter, die in einer Ausnahmesituation einen gesunden Mittelweg zwischen eingebettetem Journalismus und journalistischem Draufgängertum zu finden versuchen. Klar, derart unter Druck  schlagen Journalisten gerne über die Stränge. Die Gelage in der örtlichen Bar sind obligatorisch. Robert Wieners chaotische, aber kongeniale Kollegin Ingrid Formanek (Helena Bonham Carter) setzt noch einen drauf und deckt sich im Duty Free Shop mit einer Einkaufswagenladung Wodka ein.

Höhepunkt ist der Auftritt von Reporter-Legende Peter Arnett (gespielt von Bruce McGill), der sich hoch über den Dächern Bagdads in einen Rausch kommentiert. Elektrisiert von der Ouvertüre des Golfkrieges mutiert Arnett zu einem Mad Journalist, während alle um ihn herum in die Schutzräume fliehen. Es ist ein medialer Ritt der Walküren, ähnlich surreal wie die legendäre Strand-Szene in Apocalypse Now, in der Sergeant Kilgore seinen GIs vor der Kulisse eines Luftangriffs das Surfen befiehlt. Man möchte Arnett beinahe ein anerkennendes „Du Teufelskerl“ zuraunen. Aber dann wird einem klar, das hinter diesem Größenwahn, dieser Hybris der Unbesiegbarkeit auch ein gehöriges Maß an Dummheit steckt. Diese Bilder sind es nicht wert, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Sehen wollen wir sie aber irgendwie doch.

Weiterführende Links:

Live aus Bagdad im Journalism in Pop Culture Podcast (englisch).


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